Clara
davorstand . Unter großen Mühen hievte ich Claras Körper
darauf und zog ihn retour zum Haus. Es war eine wahre Tortur. Die schmerzenden
Augen, die zahllosen Blessuren, die Dunkelheit. Endlich stand ich wieder vor
der offenen Tür. Ich hob Clara auf und trug sie hinein. Schaffte sie in die
Schleuse hinab und schließlich retour in ihre Zelle.
Ich hatte
ihren Puls gefühlt. Er schlug schwach, aber regelmäßig. Ich legte sie aufs Bett
und rieb sie mit einer Decke fest ab. Verschaffte ihrem ganzen Körper
Durchblutung. Ich drehte den Heizlüfter voll auf und stellte ihn so nahe wie
möglich an sie heran. Dann holte ich mir von oben ein Messer und eine Packung
Schlaftabletten, die ich vorsorglich immer dort lagernd hatte. Ich hob das Seil
vom Gang auf und schnitt es in vier gleich lange Teile. Damit machte ich ihre
Arme und Beine am Bett fest und wartete ab. Es dauerte sehr lange, und der Raum
heizte sich zunehmend auf. Immer wieder rüttelte und schüttelte ich an ihr.
Endlich, nach Stunden, wurde sie wach. Beinahe wäre ich schon selbst
eingeschlafen. Ich nahm einen Becher voll Wasser und löste zwei Schlaftabletten
darin auf. Sie wirkte noch wie in Trance, als ich ihren Kopf etwas anhob und
das Gefäß an ihre Lippen führte. Artig trank sie das Gebräu.
Ich stand
auf und verließ die Zelle. Schon bald würde Clara wieder ins Reich der Träume
entschwinden. Lange bevor sie sich ihres Scheiterns besinnen konnte. Ich
erreichte die Schleuse und schloss die Stahltür. In ein paar Stunden musste ich
wieder bei der Arbeit erscheinen. Mir graute davor. Besonders in meinem
Zustand. Und an Schlaf war nicht zu denken. Zu gemartert war mein ganzer Leib.
Zudem musste ich einige Vorbereitungen treffen. Gegenstände zusammenpacken, die
ich für meinen nächsten Schritt brauchte. Gegenstände, die ich extra für diesen
Fall angeschafft hatte. Für den Fall, der nun eingetreten war. Für die
Bestrafung der Familie Bergmann.
Kapitel 9 –
Rache
1
Flackerndes
Licht erfüllte den Raum, als Clara ihre Augen öffnete. Wo war sie? Was war
geschehen? Nur langsam dämmerte es ihr. Das Desinfektionsmittel, der Besen,
Michael am Boden liegend. Die Schlüssel, die Hütte, das Tor. Und ein gewaltiger
Schmerz. Ihre Hände schmerzten. Sie wollte sie zu sich ziehen. Doch es ging
nicht. Sie waren irgendwo über ihrem Kopf festgemacht. Auch die Beine konnte
sie nicht bewegen.
Clara
blickte sich um. Konnte ihren Kopf kaum heben. Sie fühlte sich wie auf einer
Streckbank. Vier Fackeln erhellten den weiß getünchten Raum. Sie war wieder
zurück. Oh Gott! Was geschah hier? Ein Camcorder auf einem Stativ war auf sie
gerichtet. Hinter dem Fuß des Bettes saß jemand auf einem Stuhl. Mit dem Rücken
zu ihr. Eine weiße Kutte mit Kapuze. Das schwarze Haar schien unnatürlich.
Wahrscheinlich eine Maske. Michael! Panik überkam sie. Was hatte er vor? Wollte
er sie etwa töten? In einem völlig kranken Ritual. Und das Ganze auch noch auf
Video aufzeichnen. Um sich später daran aufzugeilen. Todesangst stieg in ihr
auf. Sie bekam kaum noch Luft. Ihre Halsschlagader bebte.
Erst jetzt
blickte sie auf ihren Körper hinab. Er war voller Blut. Doch sie verspürte
keinerlei Schmerz. Hatte er sie nur oberflächlich verletzt? Ihre Hände waren
festgezurrt. Verzweifelt versuchte sie, mit ihren Augen etwas auszumachen.
Irgendeinen Anhaltspunkt, der auf den Ursprung des Blutes hinweisen sollte.
Aber nichts.
Dann kam ihr
ein Gedanke. Es könnte auch Tierblut sein. Oder bloß rote Farbe. Was sollte sie
machen? Sie entschied sich, ihn anzusprechen. Einen Versuch war es zumindest
wert. Sie wollte nicht sterben. Nicht hier an diesem schrecklichen Ort. Nicht
von der Hand dieses Monsters.
»Michael«,
begann sie. »Sind Sie es ?« Keine Reaktion. Nicht die
geringste Bewegung. »Ich wollte Ihnen nicht wehtun. Aber Sie müssen mich doch
auch verstehen. Ich will hier raus. Wieder mein Leben weiterleben .« Ihre Stimme bebte vor Angst. Nichts an ihren Worten war
gespielt. Zu sehr hielt die gesamte Situation sie hier in Schock und Atem. Er
drehte sich um. Sie erschrak. Dann erkannte sie die Maske wieder. Dieselbe
Teufelsmaske, die er schon bei ihrer ersten Begegnung getragen hatte. Als er
sie damals abnahm, hätte ihr alles klar sein müssen. Doch diese Erkenntnis war
erst später gekommen. Und hatte sie schwer getroffen. Die Erkenntnis, es mit
einem Wahnsinnigen zu tun zu haben, der auf Lösegeld keinerlei Wert legte.
Genau diese Einsicht überkam sie nun
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