Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koller
Vom Netzwerk:
Vater,
Mutter und mich sowieso? Wollen Sie uns das wirklich antun? Oder wollen Sie
noch weiter gehen? Drei Menschen für einen?«
    Die
Emotionen schüttelten förmlich ihren Körper. Doch sie hielt die Tränen zurück.
    »Ich werde
niemanden töten. Nicht Ihre nutzlose Mutter, nicht Ihren raffgierigen Vater.
Und Sie schon gar nicht. Nein, das werde ich euch
selbst überlassen. Sofern ihr euch dazu entschließt .«

 
    7

 
    Clara sah
ihn durchdringend an. Das war es also, was er wollte. Er wollte sie in den
Selbstmord treiben. Und ihre Eltern in tiefste Verzweiflung. Dieser Plan war
teuflischer, als sie es in ihren schlimmsten Träumen für möglich gehalten
hätte. Er wollte ihre Familie beseitigen. Und sich dabei nicht einmal die Hände
schmutzig machen.
    »Da können
Sie lange warten«, erwiderte sie. »Ich werde mich nicht zu Ihrem Vergnügen
umbringen !« Clara lief zum kleinen Schrank und holte
das Seil heraus. Wieder an den Gitterstäben zurück, warf sie es in den Gang.
»Hier haben Sie diesen verdammten Strick. Vom ersten Tag an habe ich gewusst,
was er zu bedeuten hat. Nein. Ich werde Ihnen die Arbeit nicht abnehmen. Das
müssen Sie schon selbst tun. Oder sind Sie wirklich so feige und überlassen
mich hier einfach meinem Schicksal ?« Clara sah ihn
fragend an. Er schwieg. »Aber das werden Sie nicht tun. Nicht wahr? Denn dann
wäre es aus mit Ihrer Macht. Mit Ihrem Gottesspiel. Dann wären Sie bloß wieder
der kleine Lagerarbeiter, der gramgebeugt über den Planeten schleicht.
Unerkannt. Ungeliebt. Unbedeutend. Ja, Sie brauchen mich viel mehr, als ich Sie
brauche .«
    Michael
stand langsam auf. Die weiße Ratte hatte die ganze Unterhaltung über auf dem
Fernseher gesessen und das Schauspiel interessiert beobachtet. Die Ratte hatte
ihnen eines voraus. Sie lebte für den Augenblick. Kannte keine Vergangenheit
und keine Zukunft. Fernab der Belastungen, die ein reger Geist mit sich
brachte. Der Liebe, Angst, Hoffnung, Verzweiflung, Leben, Tod kannte. Er trat
auf Clara zu. Blickte sie mit leeren Augen an. Diesen Ausdruck hatte sie nie
zuvor bei ihm gesehen. So, als wäre er gar nicht hier. In eine andere Welt
abgedriftet. War es ein Schutzmechanismus, der ihn vor dem bewahren sollte, was
er angerichtet hatte? Verbarg er dahinter sein wahres Gesicht? Clara stand wie
festgezurrt da. Unfähig, den Blick von diesen Augen zu lenken. Diesen Augen,
die plötzlich von all dem Leid sprachen, das bis in die letzte Faser seines
Körpers einzudringen schien.
    Einen Moment
lang hatte sie Mitleid mit ihm. Bis er sich mit einem Mal direkt vor ihr niederbückte , um das Seil aufzuheben. Und ihr damit eine
einzigartige Möglichkeit eröffnete. Kraft erfüllte ihren Körper. Kraft, gepaart
mit Angst, war eine seltsame Mischung. Ein Cocktail, der den Geschmack der
Gewalt hervorbrachte.
    Clara griff
zum nahen Becher und zielte die Flüssigkeit durch die Stäbe hindurch auf sein
Gesicht. Er war gerade dabei, sich wieder aufzurichten, als die Lösung auf
seinen Augen landete. Ein tiefer Schmerzensschrei flutete den Keller. Clara
packte den Besen an der Bürste und stach wie mit einer Lanze durchs Gitter. Die
ersten beiden Attacken prallten an seinem Oberkörper ab. Michael taumelte mit
den Händen vor den Augen in Richtung Stahltür. Claras Hiebe und Stiche
begleiteten ihn dabei. Die Stäbe waren für ihr Unterfangen hinderlich, da sie
immer wieder den Besenstiel herausziehen musste, um ihre Position zu verändern.
Wahllos schlug sie drauflos. Eine Kampftaktik hatte sie sich nicht
zurechtgelegt. Und nun war es zu spät, darüber nachzudenken. Also hantierte sie
blindlings mit der Stange. Traf ihn auf der Brust, an der Seite, in den
Weichteilen.
    Michael
stolperte unter unverständlichen Flüchen vorwärts und erreichte schließlich die
unverschlossene Stahltür. Nur noch das Niederdrücken der Klinke trennte ihn von
der Beendigung dieser Pein. Clara wurde zusehends verzweifelter. Panische Angst
durchblitzte ihren Körper. Jetzt war alles vorbei. Wenn er hinter dieser Tür
verschwand, war ihr Schicksal besiegelt. Darüber gab es keinen Zweifel.
    Ein letzter,
wütender, nach oben hin führender Hieb. Der Besen traf eine Stelle zwischen
Kiefer und Kehlkopf mit voller Wucht. Ihr Kontrahent stoppte in seiner
Vorwärtsbewegung. Einen Moment lang blieb er kerzengerade stehen. Dann fiel er
unter einem letzten erstickten Schrei kopfüber gegen die Stahltür. Clara konnte
es nicht glauben. Er lag direkt vor ihr. Wie ein Toter. Doch dann

Weitere Kostenlose Bücher