Clara
hörte sie
sein Röcheln. Sie drehte den Besen und nahm ihn nun am Stiel. Zu viele Filme
hatte sie schon gesehen, in denen das Opfer letztlich daran scheiterte, dass es
dem Bösewicht nicht vollständig den Garaus gemacht hatte. Das würde ihr nicht
passieren. Wie wild schlug die Bürste gegen seinen Kopf. Immer und immer
wieder. Blut rann von seiner Schläfe. Clara schrie ihn an.
»Bist du nun
endlich tot, Bastard ?« Dann ließ sie von ihm ab. Er
rührte sich nicht mehr. Sie zog den reglosen Körper mithilfe des Besens zu sich
heran. Diesen Besen würde sie sich vergolden lassen. So viel stand fest. Als
seine Hosentaschen in Reichweite waren, stellte sie ihre Bemühungen ein und
machte sich daran, seine Beinkleider zu filzen. Die Taschen lagen sehr eng an.
Nur mit Mühe gelangte ihre Hand in die Jeans.
Da war ein
Schlüssel. Aber viel zu klein. Das musste jener für die Handschellen sein. Sie
zog ihn raus. Ja, er war es. Um an die andere Tasche zu gelangen, musste sie
seinen Körper umdrehen. Wieder nahm sie den Besen zu Hilfe. Stieß ihn mit Schwung
gegen seine Hüfte. Der Körper drehte sich. Lag nun offen vor ihr. Aufgebahrt.
Sein Gesicht wirkte beinahe friedlich. Trotz der schmerzverzerrten Miene. War
er wirklich tot? Nein. Niemand starb an ein paar Schlägen mit dem Besen. So
wuchtig sie auch waren. Und so sehr der entscheidende Hieb auch in seinen Hals
eingedrungen war. Tot konnte er nicht sein. Sie machte sich lang, um in die
andere Hosentasche zu gelangen. Jetzt sah sie es. Sein Brustkörper hob und
senkte sich. Ganz schwach. Irgendwie war sie froh darüber. Sie wollte ihn vor
Gericht gedemütigt sehen. Genauso, wie er mit ihr verfahren war.
Clara
ertastete einen metallischen Gegenstand. Zuerst eine Rundung. Dann Kanten. Das
musste der Schlüssel sein. Mit einem starken Ruck beförderte sie ihn zutage.
Und nicht nur ihn. Neben dem losen Zellenschlüssel fiel ein kleiner Bund mit
drei weiteren Schlüsseln auf den Boden. Vermutlich für die Stahltür und das
darüber liegende Gebäude. Was immer das auch war. Sie würde es in wenigen
Sekunden wissen. Clara sprang auf und rannte zur Gittertür. Dorthin, wo sie so
oft gestanden hatte und hoffnungslos auf das Schloss gestarrt hatte. Nun würde
es sich öffnen. Sie drehte den Schlüssel und tatsächlich, der Riegel
verschwand. Die Tür ging auf. Clara ging den Gang entlang. Vor Michaels
reglosem Körper blieb sie stehen. Trat mit ihren Füßen leicht dagegen. Nichts.
Noch einmal fasste sie allen Mut zusammen. Stieg über seinen Leib und erreichte
die Stahltür. Ein letzter Blick zurück. Zurück auf einen Monat voller Verzweiflung.
Die Ratte
sprang auf die Pritsche und sah sie mit ihren schwarzen Augen an. Ein letzter
Gruß zum Abschied. Clara richtete ihre Aufmerksamkeit auf Michael. Wut stieg in
ihr hoch. Sie öffnete die Stahltür. Dann ging alles sehr schnell. Wie von Sinnen
ließ sie die aufschwingende Tür gegen seinen Kopf krachen. Immer und immer
wieder. Eine weitere Wunde klaffte in seinem Schädel. Jetzt hatte er wohl
endgültig genug. Sie begab sich in die Schleuse und kletterte die Eisenleiter
an der Wand hoch. Oben angelangt, streckte sie ihren rechten Arm aus und
drückte gegen die Bodenklappe. Sie bewegte sich kaum. Also stieg Clara noch
zwei Sprossen höher und presste Hinterkopf und Schultern gegen den Widerstand.
Langsam öffnete sich die schwere Klappe. Es war ein hartes Stück Arbeit. Die
Zeit der Gefangenschaft hatte an ihrer Substanz gezehrt. Schweiß begann, über
ihr Gesicht zu laufen. Immer höher richtete sie sich auf. Bis die Abdeckung mit
einem letzten Kraftakt endlich nach hinten fiel und mit einem dumpfen Krachen
aufschlug.
Clara stieg
aus der Öffnung und befand sich nun in einem mit Regalen voll gestellten Raum.
Ein dunkler, schwerer Vorhang war vor das einzige Fenster gezogen. Sie lief zur
Eingangstür, zog den Bund aus der Hosentasche und probierte den ersten Schlüssel.
Er passte. Die Tür sprang auf. Endlich. Sie trat aus der Hütte und nahm einen
tiefen Atemzug. Wie herrlich war doch diese frische Luft, die wie Honig
schmeckte. Wie Leben, wie Freiheit.
Clara
blickte sich um. Der Abend dämmerte bereits. Doch noch war alles relativ gut zu
erkennen. Die Hütte, die vielen Bäume, der Zaun. Sie wollte schon darauf
zusteuern, als ihr die Fußspuren im Schnee auffielen. Sie folgte ihnen. Hin zu
einem schmalen Pfad, der durchs Dickicht führte. Dahinter erkannte sie ein Tor.
Hier musste es rausgehen. Dafür war wohl der dritte
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