Clara
Er bog in eine weniger frequentierte
Seitengasse ab und betrat ein kleines, ruhiges Restaurant an der Rückseite des Stephansdoms . Dort war es so teuer und exklusiv, dass nur
wenige Betuchte sich den prüfenden Blicken des Empfangschefs aussetzten. Thomas
trat ein und verschwand hinter der massiven Mahagonitür mit ihren kleinen
Fensterchen.
Bach drehte
eine Runde um das Gotteshaus und machte dann ebenfalls Anstalten, das
Restaurant zu betreten. Der Geschäftsführer musterte ihn eindringlich, obwohl
Bachs Anzug durchaus Klasse hatte. Aber diese Leute waren geschult. Erkannten
einen Bettler auch dann, wenn er sich unter einer ganzen Schicht von Gold
verbarg.
»Der Herr haben
reserviert ?« , erkundigte er sich, die Antwort im
Voraus wissend. Was für ein Arschloch.
»Reinhold
von Thorgau. Meine Sekretärin hat angerufen .« Bach
blickte ihn würdevoll an. Der Empfangschef zog das auf einem Podest liegende
Buch zu Rate.
»Es tut mir
leid, aber es existiert kein Eintrag zu dieser Reservierung .« Bachs Miene verfinsterte sich. Mit strengem Ton maßregelte er sein Gegenüber.
»Meine
Sekretärin pflegt niemals etwas zu vergessen. Also liegt der Fehler wohl in
Ihrem Hause .« Er ließ keinen Zweifel daran, dass er
weiteren Widerspruch nicht duldete. Reservierung! Dieses Lokal war schon
aufgrund seiner exorbitant hohen Preise niemals ausgebucht. Bach hatte einmal
einen Bericht darüber gelesen. Und er war entschlossen, sich hier Zutritt zu
verschaffen.
»Sehr wohl,
der Herr !« , antwortete der sichtlich erschütterte
Lakai. »Wenn Sie mir bitte folgen würden .« Er wies ihm
einen kleinen Tisch am Fenster zu. Jetzt erblickte er Liebherr, der in einer
Nische schräg gegenüber Platz genommen hatte. Von üppigem Blumenschmuck leicht
verdeckt. Perfekt. Bach widmete sich der offerierten Speisekarte. Was er beim
Hotel sparte, würde er hier wieder loswerden. Er winkte den Kellner herbei und
gab seine Bestellung auf. Eine Flasche Chablis .
Zander in Kräuterkruste. Waldorfsalat. Limonensorbet .
Er würde sich etwas gönnen. Seinen Körper ebenso laben wie seine Augen. Und
sein Gemüt. Liebherr nippte an seinem Drink und wandte sich dann wieder seiner
Zeitung zu. Doch er schien nicht recht bei der Sache zu sein. Wer wäre nicht
nervös, erwartete er eine Frau wie Clara Bergmann? Bach nahm sein Glas auf,
nickte Thomas zu und trank schließlich. Liebherr hatte ihn nicht wahrgenommen.
Wenn es sein musste, konnte er unsichtbar werden.
3
Bach saß mit
dem Rücken zur Eingangstür. Aber als sie geöffnet wurde, wusste er sofort, wer
eben eingetreten war. Clara Bergmann. Der Concierge begleitete sie mit aller
Umständlichkeit zu ihrem Tisch, wo ihr Beau bereits wartete. Die Absätze ihrer
Riemchenschuhe klackten am Marmorboden. In der rechten Hand hielt sie eine
dunkle Sonnenbrille. Ihr blondes Haar zu einem sittsamen Zopf geflochten. Zwei
hübsche Haarstecker zierten ihr Hinterhaupt. Der leichte Rock schlug eine
Falte, als sie sich zu Bach abgewandt auf eine kleine Polsterbank setzte. Außer
ihnen war nur noch ein älteres Paar im Restaurant. Vermutlich Amerikaner, deren
Geldbörse größer war als ihr Stil. Bach war in starker Erregung. Zu gerne hätte
er direkt in ihr Gesicht geblickt. Doch das war unmöglich. Noch. Thomas
lächelte unentwegt in ihre Richtung. Er war verliebt. Der Kellner brachte die
Karte.
Bach blickte
aus dem Fenster. Zwei jüngere Männer und eine Frau schlichen um das Lokal.
Lugten immer wieder ganz unverblümt ins Innere. Ganz offensichtlich Presse, so
sehr sie auch ihre Fotoapparate zu verbergen suchten. Bach schätzte, wie lange
es wohl dauern würde, bis Clara in ihre alten Schemen zurückfiel. Bis
Oberflächlichkeit sich wieder einstellte. Und damit auch Thomas’ Zuneigung an
Wert verlor. Er bedauerte ihn. Diesen braven Burschen, der nicht abgehoben war.
Trotz seines Erfolgs. Er war Claras Kompensation. Ihr Schutzschild, den sie
vorläufig noch brauchte. Bis sie es überwunden hatte. Und das alte Programm neu
gestartet wurde. Bach war davon überzeugt. Obwohl es keine Rolle spielte. Denn
schon viel früher wäre alles vorbei. Er glaubte nicht an die Veränderung eines
Menschen. An den guten Kern, den jeder besaß. An Anstand, Treue und Moral. Er
glaubte nur an das unwiderruflich Schlechte. An die sieben Todsünden.
Bach genoss
seinen Wein und sein superbes Mahl. Ohne jedoch seine Aufmerksamkeit auf Clara
einzuschränken. Sie hatten ebenfalls Wein bestellt. Salat und Nudelgerichte.
Ein
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