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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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als ich in diesem Moment. Ich hätte ihr am liebsten die Augen ausgekratzt.
    Doch ich setzte ein starres Lächeln auf und bewunderte mit dem gleichen dümmlichen Entzücken wie alle anderen die Sachen. Zum Schluss kam das großartigste Geschenk: eine Schatulle aus Rosenholz, gefüllt mit Perlen. Ihr Vater erklärte, dass sie jetzt mit zwölf Jahren alt genug sei, um den Schmuck ihrer Mutter zu erhalten. Sie jauchzte vor Freude und fing an, sich damit zu behängen.
    Wir alle haben sie beneidet. Da waren so viele Perlen – cremefarben und silberschimmernd, Armreife, Ohr- und Fingerringe … Marguerite liebte Perlen. Ich nicht. Ich fand sie fade. Diese Perlen waren allerdings so zart, so durchscheinend, dass sie keine Umrisse zu haben schienen. Marguerite reichte den Schmuck herum, damit wir alle ihn einmal anprobieren konnten. Die anderen Mädchen führten sich auf wie eitle Pfauen und versuchten, sich in den Fensterscheiben zu betrachten; im Empfangszimmer der Nonnen hing kein Spiegel. Ich dagegen hatte bemerkt, dass die Rosenholzschatulle noch nicht ganz leer war. Sie enthielt noch eine kleine Pappschachtel. Ich fragte Marguerite, was darin sei, und sie meinte, ich solle die Schachtel doch öffnen und nachsehen. Hier nahm mein Verderben seinen Anfang, was ich natürlich nicht ahnte.
    Ich öffnete die Schachtel und erblickte den Feueropal. Damals war er noch anders gefasst, als einfacher Anhänger. Ich war so berauscht von den Farben des Steins, dass mir die Luft wegblieb. Die übrigen Mädchen drängten sich um mich, um auch einen Blick auf das Schmuckstück zu erhaschen. Ich hatte das Gefühl, als würde es mir gehören. Wir alle waren von der Schönheit des Anhängers überwältigt. Keine von uns hatte je etwas Vergleichbares gesehen. Marguerite zeigte jedoch kein Interesse daran, die Kette anzulegen.
    Wir reichten den Edelstein herum. Mir kam es so vor, als würde ich ein Brennen und Stechen auf meiner Handfläche spüren – ein fiebriges Prickeln, das ich anfangs schmerzhaft, dann angenehm fand. Ich bemühte mich, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr ich mich danach sehnte, den Stein zu besitzen.
    In der folgenden Nacht konnte ich nicht schlafen. Das Bild des Feueropals ließ mir keine Ruhe, und so bin ich aus dem Bett geschlüpft und auf Zehenspitzen in Marguerites Zelle geschlichen. Es war streng verboten, nachts das Bett zu verlassen, aber unsere Schlafzellen waren lediglich durch Vorhänge aus grobem Stoff voneinander getrennt. Man musste kein Schloss knacken oder darauf achtgeben, dass keine Tür klapperte. Tatsächlich besuchten Marguerite und ich uns oft gegenseitig im Bett, sobald die Lichter aus waren. Also tapste ich in ihre Zelle und fragte sie flüsternd, ob sie wach sei.
    Sie hob die Decke an, damit ich darunterkriechen konnte. Im Flüsterton erzählte sie mir, dass sie wegen mir nicht habe schlafen können. Sie wollte wissen, ob ich sie jetzt hasse, weil sie so viele Geschenke bekommen hatte und ich nur den Elfenbeinfächer von ihr. Natürlich log ich. Ich sagte, ich würde sie innig lieben. Und sie glaubte mir. Dann erkundigte ich mich nach dem Stein.
    Marguerite sagte, ihr würde vor dem Stein grauen. Sie wisse, das sei albern, aber es handele sich um einen Feueropal, und ihre Mama sei im Feuer umgekommen. Madame Tremblay hatte ein merkwürdig abergläubisches Gehabe um den Stein gemacht, ja, sie war besessen von ihm gewesen. Sie pflegte den Opal ihren Wunschstein zu nennen.
    Einen Wunschstein! Wie dieses Wort meine Fantasie beflügelte! Ich dachte an all die Dinge, die ich mir wünschen würde: dass meine Mutter zurückkehrte; dass mein Vater mich liebte; dass mein Körper zu einer grazilen und elfengleichen Gestalt schrumpfen würde, wie Marguerite es war. Ich wollte einen Adligen heiraten. Ich wollte in einem Palazzo leben … Doch selbstverständlich habe ich Marguerite nichts von alldem anvertraut. Ich wechselte das Thema und wir unterhielten uns über die Geburtstagsfeier. Schließlich schlief Marguerite ein. Sie war in der Lage, wie ein Kind ganz plötzlich in tiefen Schlaf zu sinken. Und ich bin unter den Decken hervorgekrochen und habe mich zu der Truhe am Fußende des Betts geschlichen.
    Es war eine Vollmondnacht. Als ich die Truhe aufklappte, sah ich als Erstes die zarte Farbe von Marguerites Geburtstagsschal. Darunter lag die kleine Pappschachtel. Eine leichte Wärme schien von ihr auszugehen. Ich öffnete sie, und da war der Stein. Ich umschloss ihn mit der Faust und wünschte

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