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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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›entführt‹ jeder wissen wollen, wo er mich versteckt hat, und die Wahrheit kann ich nicht sagen, weil mir niemand glauben würde. Ich werde wohl ein leer stehendes Haus beschreiben – hier in der Gegend gibt es ganz sicher leer stehende Häuser, Schäferhütten und so was … Aber ich war noch nie in einer Schäferhütte und habe keine Ahnung, wie es darin aussieht.« Sie zupfte an ihrem Kleid und fügte verdrießlich hinzu: »Ich bin dieses Kleid so leid.«
    Parsefall setzte sich neben sie. Mit Kleidern hatte er nichts am Hut, aber für den Aufbau einer überzeugenden Lüge konnte er sich immer begeistern. »Erzähl einfach, dass es dunkel war. Sag, dass es so dunkel war, dass du gar nix von dem Haus hast sehen können. Und dann hast du’s irgendwann nachts geschafft, mit ’nem langen rostigen Nagel ’n loses Brett ’n Stückchen rauszudrücken, sodass du die Finger zwischen die Bretter schieben konntest. Du hast es aufgehebelt, bist rausgekrochen und dann hierhergekommen. Und Grisini is’ dir nach.«
    Clara schaute ihn bewundernd an. »Das ist eine gute Geschichte.« Sie senkte den Kopf und umschlang ihre Knie noch fester. »Aber egal, was für eine Geschichte ich erzähle: Irgendjemand wird ein Telegramm nach London schicken, damit meine Eltern wissen, dass ich in Sicherheit bin. Und dann muss ich nach Hause zurück.«
    »Warum?«, fragte Parsefall.
    »Weil ich muss. Ich will nach Hause zurück«, korrigierte sie sich. Sie stand auf und machte sich auf den Weg die Treppe hinunter.
    Parsefall ging ihr nach. Ihm fiel auf, dass ihr Rücken steif wirkte und sie sich wie eine Aufziehpuppe bewegte. Er vermutete, dass der Gedanke an ihre Familie diese Reaktion auslöste. »Was, wenn du nich’ zurückgehst?«
    Clara drehte sich zu ihm um. »Ich muss.«
    »Aber du willst nich’.«
    Clara schüttelte den Kopf und stimmte ihm damit unbewusst zu. »Ich weiß, dass Papa und Mama sich schreckliche Sorgen machen«, sagte sie und legte die Stirn in Falten. »Es tut mir weh, wenn ich daran denke, welchen Kummer ich ihnen bereitet habe. Auch wenn das natürlich alles nicht meine Schuld ist. Ich habe Grisini nicht darum gebeten, mich zu entführen. Unsere Familie ist nicht sonderlich glücklich, aber nicht deshalb fällt es mir schwer, zurückzukehren. Ich will euch nicht verlassen, dich und Lizzie Rose. Ich hatte noch nie Freunde. Ich habe nie jemanden getroffen …« Sie hielt inne, um sich wieder zu fassen. »Ich habe noch nie jemanden wie euch kennengelernt.«
    Parsefall fühlte sich ungeheuer geschmeichelt und hoffte insgeheim, dass Clara nur aus Höflichkeit »euch« gesagt hatte und eigentlich ihn allein meinte. Clara sprach weiter. »Ich wünschte, wir müssten uns nicht trennen. Ich würde es ertragen, wenn wir nur weiter Freunde bleiben könnten. Nein, selbstverständlich werde ich es ertragen. Es ist nur, dass ich euch vermissen werde. Das ist alles.«
    Parsefall vergrub die Hände in den Hosentaschen. »Es is’ ja nich’ so, dass wir bis in alle Ewigkeit hierbleiben. Lizzie Rose will so lange bleiben, bis die alte Lady gestorben is’, weil sie ihr leidtut. Ihr tut immer irgendwer leid«, fügte er missmutig hinzu. »Aber sobald die alte Lady tot is’, gehen wir nach London zurück.«
    Clara schüttelte den Kopf. »Madama hinterlässt euch Strachan’s Ghyll. Ich habe mitbekommen, wie sie das heute Morgen gesagt hat. Ich war noch im Halbschlaf, aber ich habe es ganz deutlich gehört. Sie vererbt euch beiden das Anwesen.«
    »Ich will das verflixte Haus nich’!«, stieß Parsefall gereizt hervor. Er machte eine ausladende Handbewegung, welche die geschnitzten Balustraden der Treppe, die goldgerahmten Porträts und die trübsinnigen Hirschköpfe mit den ausladenden Geweihen umfasste. »Es is’ schon schön, aber hier kann ich mein Leben nich’ verdienen. Hier gibt’s kein Publikum. Wenn die alte Lady tot is’, geh ich zurück nach London und wohn wieder bei Mrs Pinchbeck. Das einzige Problem is’, dass die Bullen hinter mir her sind.«
    »Warum?«
    »Weil ich ’n Foto von deinem Bruder in seinem Sarg gezwickt habe.«
    »Was meinst du mit ›gezwickt‹?«
    Parsefall zog die Nase kraus. »Ich hab’s gestohlen«, sagte er langsam, als würde er ein völlig neues Wort ausprobieren. »Der Rahmen is’ aus Silber. Ich wollt’s zum Pfandleiher tragen, aber Lizzie Rose hat mich nich’ gelassen, und dann war dein Vater bei uns, um mit Lizzie Rose zu reden, und da hat er das Bild auf dem Kaminsims

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