Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)
ich nur … es gibt nichts, was ich nicht tun würde, wenn …« Es gelang ihm nicht, den Satz zu Ende zu bringen. Er wusste, dass er gleich weinen musste, und schloss die Augen. Warm quoll eine Träne zwischen seinen Lidern hervor. Und plötzlich spürte er die Finger seiner Frau. Sie wischte ihm die Träne ab, verstrich sie auf seiner Wange. Er schämte sich für seine Schwäche und schlug die Augen auf.
Ada hatte seit Monaten nicht so lebendig gewirkt. Ihr Mund zitterte, aber in ihren Augen lag Entschlossenheit. »Ich komme mit dir«, sagte sie, und als er sie nochmals davon abbringen wollte, verschloss sie ihm die Lippen mit ihren Fingern und ließ ihn nicht weitersprechen.
49. Kapitel
Das Geständnis wird fortgesetzt
C assandra weinte. Es war die Nacht, in der ihr Feueropal zerstört worden war, und sie kam nie lange genug zur Ruhe, um einzuschlafen. Außerdem war sie völlig durchgefroren und es gelang ihr nicht, sich aufzuwärmen. Sie versuchte, das diesen Fremden zu erklären, die um ihr Bett herumstanden, aber ihre Stimme war heiser vom vielen Weinen und die Silben kamen in einem Durcheinander über die Lippen. Zwei Mädchen gingen aus dem Zimmer und kehrten beladen mit Decken zurück. Ein zerzauster Junge legte Kohlen im Kamin nach, bis ein kräftiges Feuer prasselte. Die Hexe erkannte, dass die Fremden Kinder waren, und das fand sie sonderbar: Ihr Krankenzimmer war doch gewiss kein Ort für Kinder? Suchend sah sie sich nach dem Klingelzug um. Sie wollte nach den Dienern läuten.
Ihr Blick wurde starr vor Entsetzen. Über ihrem Kopf hing ein gelber Affe. Er schien eine goldene Kordel hochzuklettern und grinste sie heimtückisch an. Cassandra deutete auf den Affen und wollte den Kindern verständlich machen, dass er verschwinden sollte. Er war der Teufel. Er würde sie in die Hölle zerren, wo es keine Gnade für Sünder gab. Aber die Fremden blickten sie nur erstaunt und mitleidig an, sodass sie entmutigt den Versuch aufgab.
Cassandra versank in einem Traum. Neben ihr saß brabbelnd und fauchend der Affe. Ein Flammenmeer lag vor ihr und am Ufer tanzte eine Puppe namens Grisini. Marguerite war auch da und sie weinte, weil jemand ihren kleinen Hund erdrosselt hatte. Cassandra schlug die Augen auf. Der Spaniel lag, friedlich schnarchend, auf dem Bett. Sie deutete auf den Hund und wollte Marguerite beruhigen, dass alles gut sei. Aber Marguerite war verschwunden, und der gelbe Affe grinste sie an. Cassandra lenkte ihren Blick auf die Kordel, die durch seinen Körper führte. Verräter wurden gehängt und sie war eine Verräterin. Panisch befingerte sie ihre Kehle, um die Schlinge um ihren Hals zu lockern.
Eines der Kinder griff nach ihren Händen. Cassandra biss zu. Dann schluchzte sie auf, denn das Kind hatte wunderschöne Hände, zart wie Blütenblätter, sauber und kräftig. Das gezackte Halbrund ihres Zahnabdrucks war ein obszöner Makel. Aber sie konnte sich nicht entschuldigen. Die Gesichter der Kinder verschwammen und verblassten. Noch immer weinend, sank sie wieder in den Schlaf.
Als sie erwachte, stand das schwarzhaarige Mädchen auf einem Stuhl neben dem Bett. Mit den Zähnen löste es den Knoten unter dem Messingaffen und zog die Figur über die aufgedröselte Seidenkordel.
»Was, wenn sie ihn vermisst?«, fragte das rothaarige Mädchen. »Sie ist es gewohnt, an dem Affen zu ziehen, um die Bettvorhänge zu öffnen und zu schließen.«
»Sie wird ihn nicht vermissen«, entgegnete das andere Mädchen mit Nachdruck. »Er macht ihr Albträume. Und die Kordel ist ja noch da.« Sie reichte dem Jungen die Messingfigur. »Bring den Affen aus dem Zimmer, Parse.«
Der Junge wog die Figur prüfend in der Hand. »Nicht schlecht«, stellte er fest. »Die könnte gut zwei, drei Schilling wert sein.«
»Das Ding ist grauenhaft. Bring es raus!«, befahl die Dunkelhaarige. Der Junge schaute sie unwirsch an, aber er gehorchte und kehrte mit leeren Händen ins Zimmer zurück.
Cassandra stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Sie drehte sich auf die Seite, sodass sie das kastanienrote Fell des Hundes streicheln konnte. Und so schlief sie abermals ein.
Als Cassandra die Augen aufschlug, bekam sie durch ein Nasenloch wieder Luft. Ihre Mundhöhle war trocken wie Wolle. Die Haut an ihrem Hals brannte, weil sie sie wund gekratzt hatte. Benommen hob sie den Kopf.
Die Kerzen waren heruntergebrannt, trotzdem herrschte ein dämmriges Licht im Zimmer. Draußen brach der Tag an. Die Kinder
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