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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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richtige Gewicht. Sonst hat se schließlich nix zu tun, oder?«
    Clara wartete. Ihr Gesicht war noch immer an das Oberteil von Lizzie Roses Kleid gedrückt.
    »Parse«, sagte Lizzie Rose langsam, »wenn es stimmt – ich kann es nicht glauben, aber nehmen wir mal an, dass das hier wirklich Clara ist und Grisini sie verwandelt hat … Wie um Himmels willen sollen wir sie zurückverwandeln?«

19. Kapitel

     
    Ein weiteres Erwachen auf Strachan’s Ghyll
     
    D as Schlafzimmer wirkte fremd. Der Mann mit dem Verband um den Kopf suchte den Raum mit den Augen nach Hinweisen darauf ab, wo er sich befand. Vor den Spitzbogenfenstern brannten keine Gasleuchten und er hörte nichts von dem üblichen Londoner Straßenlärm. Es war Nacht und er befand sich auf dem Land.
    Der Mann stützte sich auf den Ellbogen. Am anderen Ende des Zimmers stand ein Stuhl, der einem Thron ähnelte, und darauf saß eine Frau. Sie kehrte ihm den Rücken zu, aber er konnte den schimmernden Stoff ihres Morgenmantels erkennen.
    Er hörte, wie die Frau vor sich hinmurmelte: »Der Turm. Das steht für Gefahr oder einen Fall. Die Neun der Schwerter und das Rad des Schicksals. Und der Magier, ein genialer Geist. Die Frau, die den Löwen bezwingt, bedeutet Stärke. Die Zwei der Kelche – aber das gehört hier nicht her, das steht für Liebe.«
    Die Stimme der Frau klang vertraut. Mit dem Alter war sie zittrig geworden und tiefer, als er sie in Erinnerung hatte, doch es war Cassandras Stimme und gerade befragte sie die tarocchi. Der Turm, das Rad des Schicksals, die Neun der Schwerter. Das waren alles Tarotkarten. »Der Gehängte, jemand ist zwischen Leben und Tod gefangen. Vielleicht bin ich ja damit gemeint. Und da der Tod, vielleicht meiner. Dann noch der Teufel: Das ist ein Lügner, das ist Grisini.«
    Der Mann mit dem Kopfverband hörte seinen Namen. Er war Grisini und das musste Cassandras Haus sein. Er betastete mit einer Hand sein Gesicht. Die tiefen Furchen, die sie ihm vor achtunddreißig Jahren zugefügt hatte, waren mit frischem Schorf bedeckt. Er erinnerte sich daran, wie die Treppe unter ihm eingebrochen war, an den betäubenden Schmerz, weil er sich den Schädel aufgeschlagen hatte. Später war er wieder zu sich gekommen und hatte sich aus dem Haus geschleppt. Benommen, schwach und blutend, hatte er gerade genug Kraft aufgebracht, um Cassandras Ruf zu gehorchen. Trotz aller Erschöpfung hatte er daran gedacht, dass ein Polizist auf der anderen Straßenseite Posten bezogen hatte, und war die Kellertreppe hinuntergestolpert und durch die Hintertür und den Abort nach draußen geschlichen. Entweder hatte ihn diese simple List entkommen lassen oder seine Verkleidung, denn niemand folgte ihm. Dunkel entsann er sich der Bilder von einem Bahnhof und einer endlosen Reise mit dem Zug.
    Cassandra erhob sich von ihrem Thron. Grisini beobachtete sie argwöhnisch. Sie wirkte kleiner als früher. Das Alter hatte an ihren Knochen genagt und ihre breiten Schultern gebeugt. Außerdem war sie plumper und schwerer geworden, doch prachtvoll gekleidet. Ihr Morgenrock bestand aus einem changierenden Gewebe, das in den Falten blutrot schimmerte und dort, wo das Licht darauffiel, safrangelb. An einer Kette um den Hals trug sie das Medaillon, eine Filigranarbeit aus geflochtenem Golddraht. Darin befand sich der Edelstein, den er versucht hatte, zu stehlen. Bei dem Gedanken an den Feueropal verspürte er eine Mischung aus Angst und Verlangen. Die Angst, dass der Stein gegen ihn eingesetzt würde, und das Verlangen, ihn Cassandra irgendwie zu entreißen und ihn sich anzueignen.
    Cassandra ergriff das Wort und redete in dem venezianischen Dialekt, der einst ihre gemeinsame Sprache gewesen war. Auch wenn sie seine Feindin war, genoss er die schmeichelnden Klänge seiner Muttersprache. »Ah, Gaspare. Sie sind wach.«
    Er leckte sich über die trockenen Lippen. »Wie lang bin ich schon hier?«
    »Neun Tage. Ich habe Sie gerufen, aber Sie sind nicht gekommen.«
    »Ich hatte einen Unfall.«
    »Ja, und Sie haben sich verirrt. Zu guter Letzt sind Sie am Bahnhof Windermere eingetroffen. Sie waren völlig von Sinnen, haben auf Italienisch gebrabbelt und waren unfähig, zu laufen, geschweige denn, für sich selbst zu sorgen. Ich habe Sie hierherbringen lassen.« Sie schürzte die Lippen. »Meine Haushälterin hat sich geweigert, Sie zu waschen, derart ekelerregend war Ihr Zustand. Ich musste den Pferdeknecht holen.« Und ganz gezielt fügte sie hinzu: »Sie sind alt

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