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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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und Blut zu verwandeln … in …« Sie brach ab.
    »In was?«, höhnte Parsefall. »Aus was besteht sie denn?«
    Ein weiteres Mal wurde Clara von Lizzie Rose hochgehoben. Ein Daumen, der von der Arbeit ganz rau war, rieb an Claras Wange.
    »Sie is’ nich’ aus Holz«, stellte Parsefall fest und zählte weiter mithilfe der Finger auf: »Sie is’ nich’ aus Porzellan, nich’ aus Stoff und auch nich’ aus Pappmaché. Also, aus was is’ sie dann?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Lizzie Rose zaghaft. »Sie fühlt sich an wie Wachs oder wie weiches Leder … und, oh, ich glaube, sie ist warm! «
    Ich bin nicht aus Wachs , dachte Clara. Ich bin ich. Nur dass ich mich nicht bewegen kann.
    »Schau.« Parsefall nahm Claras Handgelenk zwischen Daumen und Zeigefinger. »Sie hat zehn Finger. Puppen haben nur acht.«
    Clara spürte einen Luftzug an den Beinen.
    »Und schau unter ihr Kleid. Da is’ was drunter. Puppen haben nie irgendwas drunter.«
    »Schau nicht unter den Rock, Parsefall.«
    »Warum nich’?«, fragte Parsefall. »Du schaust auch.«
    »Das ist etwas anderes«, sagte Lizzie Rose mit Nachdruck. »Es ist sehr unanständig, wenn ein kleiner Junge wissen will, was ein Mädchen unter dem Rock hat. Übrigens wäre Clara wütend darüber, wenn sie lebendig wäre.«
    »Sie is’ lebendig«, sagte Parsefall, dann verbesserte er sich: »Wenigstens is’ sie nich’ tot. Nicht ganz. Schau sie an.«
    Ich bin lebendig, stimmte Clara stumm zu. Hör auf ihn. Ich sehe euch. Ich höre euch. Ich habe Gefühle. Grisini hat mich verwandelt. Ich weiß nicht, wie er es gemacht hat, aber er hat mich verwandelt.
    Sie versuchte, zurückzuverfolgen, wie sie zu Grisini gelangt war. In der Nacht nach ihrem Geburtstag hatte sie sich in den Schlaf geweint. Kurz vor Mitternacht war sie aufgewacht, besessen von dem Gedanken, dass sie eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit erledigen musste. Ohne zu wissen, was das war, zog sie sich die Kleidung an, die sie zum Fest getragen hatte, kroch zurück ins Bett und griff in den Kopfkissenbezug, wo sie Grisinis Uhr verborgen hatte. Sobald sie die Taschenuhr mit dem Wolf und dem Schwan in Händen hielt, verstand sie. Sie musste Grisini finden, bevor die Uhr Mitternacht schlug, und sie ihm zurückgeben. Auf Zehenspitzen huschte sie die Treppe hinunter und entriegelte die Haustür.
    Sie wusste, dass es nachts auf den Straßen gefährlich war. Noch nie war sie allein durch die Stadt gelaufen. Aber sie zögerte nicht. Zielstrebig eilte sie die Straße entlang in Richtung Sloane Square. Dort wartete sie, die Arme fest um sich geschlungen wegen der Kälte. Als Grisini auftauchte, verbeugte er sich und streckte seine Hände aus. Mit einem Mal fürchtete sie sich. Jede Körperzelle in ihr wich angstvoll vor dem Mann zurück. Er erschien ihr wie ein mächtiger, aasfressender Vogel, dessen Berührung allein sie schon vergiften würde. Sie ließ die Taschenuhr in Grisinis hohle Hand fallen. Ab da erinnerte sie sich an nichts mehr.
    Ein großer, schwarzer Knopf erschien vor Claras Augen, umgeben von einem stoppeligen rötlichen Kreis. Plötzlich schnellte ein rosafarbener Wirbel vor und etwas Nasses und Warmes glitt über ihr Gesicht.
    »Ruby!«, kreischte Lizzie Rose. Sie sprang auf und hielt Clara an sich gepresst wie ihre Lieblingspuppe.
    »Kleiner Mistköter«, hörte Clara Parsefall murmeln.
    »Parse, was machen wir denn? Wenn das Clara ist – obwohl das unmöglich sein kann –, wie schützen wir sie vor Ruby? Am besten legen wir sie zurück in die Truhe.« Lizzie Rose griff nach dem Stoffbeutel. »Wenn wir etwas Schweres oben draufstellen …«
    Nein! , dachte Clara. Ihr Bruder schoss ihr durch den Kopf, eingesperrt in seinem Sarg im Mausoleum. Sie sah sich selbst reglos in der Truhe liegen, während der geschlossene Deckel auf sie niederdrückte. Nein! Begrabt mich nicht bei lebendigem Leib!
    »Clara wird’s in der Truhe nicht gefallen«, sagte Parsefall, als hätte er sie gehört.
    »Woher willst du das wissen?«, frage Lizzie Rose.
    »Na, würd dir das etwa gefallen? Nee, oder?«, konterte Parsefall. »In ’ne Kiste eingesperrt wie ’n Toter. Sie is’ lieber hier draußen.« Er wollte nach Clara greifen. »Ich könnt se an Fäden aufhängen«, überlegte er laut.
    Ja, dachte Clara sofort. Bitte!
    »An Fäden aufhängen? Du meinst wie die anderen Puppen?«
    »Wir brauchen eine Tänzerin«, verteidigte sich Parsefall. »Sie is’ angezogen wie ’ne Ballerina und sie hat ungefähr das

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