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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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eingeschüchtert. »Sie müssen schon entschuldigen, aber man kann gar nicht genug aufpassen mit all diesen Randalierern heutzutage.«
    »Haben Sie denn hier in Grieth Probleme damit?«
    »Bis jetzt noch nicht, aber man weiß ja nie. Liest man doch jeden Tag von in der Zeitung.« Sie streckte energisch ihr rundes Kinn vor. »Ich hab jedenfalls immer ein Auge drauf, wenn Unbefugte hier rumlungern.«
    Nicht nur du, dachte Astrid; in mindestens zwei Häusern hinter ihr bewegten sich die Gardinen.
    »Ist ja auch quasi meine Aufgabe«, redete die Frau weiter. »Ich mache ja unserem Pastor den Haushalt.«
    Astrid nahm ihr Glück gelassen hin. »Dann bin ich genau an der richtigen Adresse, Frau.«
    »Jansen!«
    »Frau Jansen. Den Pastor suche ich nämlich.«
    »Unseren Pastor? Der soll Ärger mit der Polizei haben!« Sie senkte ihre Stimme zu einem spröden Flüstern. »Mir können Sie das ruhig erzählen. Ich bin ja sozusagen eine enge Vertraute.«
    Astrid biß sich fest auf die Lippen, aber das Lachen blitzte ihr aus den Augen. »Nein, nein. Ich habe nur ein paar Fragen, bei denen er mir hoffentlich weiterhelfen kann.«
    Frau Jansen raffte eingeschnappt ihren Mantel enger. »Tja, dann schellen Sie am besten mal bei ihm. Der müßte zu Hause sein. Sein Auto steht jedenfalls da.«
    Astrid konnte nicht erkennen, über welches Fahrzeug sie ihren Blick hatte gleiten lassen. Die Frau machte einen Arm frei und zeigte auf die andere Seite des Platzes. »Das Haus neben Lambertz.«
    »Lambertz?«
    »Das ist die Wirtschaft da vorne! Direkt links daneben wohnt der Pastor.«
    Aha, das Haus mit den Plastikgeranien. Hätte sie eigentlich drauf kommen müssen, denn an jedem Fenster von Frau Jansens Haus flammten dieselben Blüten in grünen Kästen, im Obergeschoß sogar in rankender Variante.
    Astrid bedankte sich sehr höflich und wollte sich schon abwenden, als ihr einfiel: »Wie heißt Ihr Pastor eigentlich?«
    »Horst Deckers«, antwortete Frau Jansen fahrig und blieb mit offenem Mund stehen. Und die wollte bei der Kripo sein!
    Die Restauration Lambertz sah nicht aus wie eine Kneipe, eher wie ein Tante Emma Laden. Durch die verstaubte Fensterscheibe konnte Astrid ein buntes Sammelsurium erkennen: Putzmittel, Zucker, Mehl, Linsen, Obstkonserven, Caro Kaffee, Gummistiefel, Klopapier, Essiggurken, Insektenspray. Zwei ausgetretene Stufen führten zur Tür hoch. Der Laden war verwaist. Ob man da durch mußte, wenn man in den Schankraum wollte? Im zweiten Fenster Glitzerpracht. Astrid blieb stehen. Rosenkränze in verschiedenen Ausführungen, ein schimmernder Kelch, dicke gelblichweiße Kerzen mit goldenen Verzierungen und vier von den Kreuzen, die sie schon bei Ralf Poorten und Christian gesehen hatte, ein Ständer mit Postkarten, auf denen dasselbe Kreuz abgebildet war, allerdings mit einem Dach darüber, ein Wegkreuz oder ein Marienhäuschen.
    Sie war immer noch in Gedanken, als sie beim Pastor klingelte.
    Der Mann, der ihr öffnete, starrte sie entgeistert an. »Du liebe Güte!« Und dann lachte er dröhnend.
    Auch Astrid stand recht fassungslos da. Sie hatte mit dem Pastor gerechnet, aber nicht mit diesem muskelbepackten Kerl in gleißender Jogginghose und naßgeschwitztem Achselhemd.
    »Bitte, entschuldigen Sie«, lachte der Mann noch immer, »aber ich hatte jemand anders erwartet.«
    »Ich möchte zu Pastor Deckers«, sagte Astrid, als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.
    Er hielt ihr die Haustür weit auf. »Der bin ich! Kommen Sie nur herein.«
    Sie zögerte, schüttelte leise den Kopf.
    »Nein, nein«, kämpfte er immer noch mit seinem Lachen. »Keine Sorge. Ich war nur gerade beim Training.« Er schob sie beinahe vor sich her in ein kleines Arbeitszimmer. »Setzen Sie sich schon mal. Ich ziehe mir nur schnell was über.«
    Das Zimmer war bis auf den letzten Zentimeter mit Möbeln zugestopft: Bücherregale mit Fachliteratur, an den wenigen leeren Stellen Wandteppiche, geknüpft und gestickt, die meisten übelst modern aus den siebziger Jahren, eine beigefarbene Couch mit zwei Sesseln und einem niedrigen Teakholztisch. Am schlimmsten war wohl das eichene Stehpult mit den fetten Schnitzereien in der Mitte des Zimmers.
    Hier stand die Zeit, war angehalten worden, irgendwann vor zwanzig Jahren, als der Mann so um die Dreißig gewesen sein mußte.
    Sie kam nicht dazu, sich die Fotos anzusehen, die neben der Telefonanlage in silbernen Rahmen auf dem Schreibtisch standen. Deckers war schon wieder da, jetzt ganz pastormäßig in

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