Clara
Fensterbank, wo die Kaffeemaschine stand, und fing an zu hantieren.
Toppe gab sich einen Ruck: »Ich hätte Sie gern bei der Werft dabei, wenn Sie Zeit haben.«
Ackermann sah ihn andächtig an. »Echt?«
12
Astrid war als Kind irgendwann schon einmal in Grieth gewesen, auf einem dieser sonntäglichen Ausflüge, die ihr Vater immer mit ihr unternommen hatte, wenn er wieder mal, aufgedreht wie ein kleiner Junge, ein neues Auto ausprobieren wollte. Erinnern konnte sie sich aber nur noch an den gigantischen Eisbecher, den er in einem Café für sie bestellt hatte; die Kellnerin hatte einen dichten Damenbart gehabt, und Astrid hatte vor lauter Kichern kaum essen können. Es mußte ziemlich lange her sein.
Gelesen hatte sie natürlich immer wieder mal von dem malerischen Fischerdörfchen, von der Fußgängerfähre, die neulich ihren Betrieb wieder aufgenommen hatte.
Das klotzige Kriegerdenkmal aus grauem Beton gleich am Ortseingang war allerdings wenig malerisch.
Sie hatte keine Ahnung, wo der Jugendkreis sich traf, aber es war sicher nicht falsch, in der Nähe der Kirche zu suchen, und wie es aussah, gab es hier nur eine. Die Hauptstraße war eng, die schmucken Häuser drängten sich dicht heran. Selbst jetzt im tiefsten Winter hingen überall Blumenkästen vor den Fenstern, Eriken und Silberkraut. Vor einer Haustür standen zwei große Kübel mit krähroten Plastikgeranien.
Die Straße endete auf einem rechteckigen Platz, Griether Markt las Astrid, auf dem dicht an dicht Autos geparkt waren. Nachdem sie einmal ums Geviert gerollt war, fand sie endlich eine enge Lücke am Straßenrand, gleich vor der Sparkasse, einem Gründerzeithaus, frisch gestrichen in sonnengelb und braun. Im kleinen Wohnhaus gleich daneben war das Heimatmuseum untergebracht: Sie sind uns willkommen samstags auf Anfrage, sonntags von 14 bis 17 Uhr. In den Sprossenfenstern standen Schiffsmodelle.
Sie schloß den Wagen ab und sah sich um. Hier war nicht gerade der Bär los, eine Volksbankfiliale, ein Postamt, eine Bäckerei. Schräg links gegenüber am anderen Ende des Marktes lugte der Kirchturm über die Hausdächer.
Kein Mensch war zu sehen, trotzdem hatte sie das Gefühl, daß sie beobachtet wurde. Als sie jetzt den Platz überquerte, entdeckte sie die vielen alten Gesichter hinter den Fensterscheiben. Altenheim St. Martin. Astrid hob grüßend die Hand, aber kaum einer reagierte.
Das Pfarrbüro war das letzte Gebäude vor der Kirche. Sie klingelte, doch es blieb alles still. Durch das erste Fenster konnte sie lange Bücherwände erkennen, das war sicher die Pfarrbibliothek; vor allen anderen Fenstern hingen Gardinen. Halbherzig drückte sie noch einmal auf den Klingelknopf. Mit Pfarrbüros schien sie nicht viel Glück zu haben.
Aus dem Haus links kam eine junge Frau, warf ihr einen kurzen Blick zu und entfernte sich rasch. An der Hand hatte sie ein kleines Kind, das in seinem grünen Skianzug fast ertrank und sich mit durchgedrückten Knien mitzerren ließ.
»Entschuldigen Sie«, rief Astrid, aber die Frau drehte sich nicht mehr um. »Danke, sehr freundlich.«
Na gut, dann also mal wieder die Kirche. Durch ein Tor, in dem am Scheitelpunkt ein Kreuz eingearbeitet war, kam man auf den Vorplatz. Die Kirche war recht klein, mit nur einem Seitenschiff, und rundum von Rasen und alten Rhododendronbüschen umgeben. Das Haupttor war sichtlich schon lange nicht mehr benutzt worden, denn gleich davor befand sich ein beeindruckendes Taubenklo. Die Viecher gurrten über ihrem Kopf, saßen auf jedem Kragstein. Die Tür an der linken Seite war auch abgeschlossen. Das Grundstück grenzte an den Deich, ein paar Stufen führten über die Mauer hinauf. Sie waren ganz neu, Sand und Steine lagen daneben, ein Geländer gab es noch nicht. Astrid stieg trotzdem hoch, aber ein harter Wind, der vom Fluß her gefegt kam, nahm ihr den Atem, und sie zog den Kopf ein. Ein zweiter Ausgang führte auf eine kurze Gasse, in der sich niedrige Häuschen an den Deich duckten.
»Hallo«, rief eine barsche Stimme. »Was suchen Sie denn da?«
Aus einem der Häuser lief eine ältere Frau auf sie zu. Sie trug eine graue Kittelschürze und hohe braune Pantoffeln. Über die Schultern hatte sie einen Tweedmantel geworfen, den sie mit der linken Hand unterm Kinn zusammenhielt.
»Guten Morgen«, ging Astrid auf sie zu und beschloß, daß diese Situation eine der wenigen war, wo der Dienstausweis richtig gut kam.
»Oh, ach so!« Die Frau entspannte sich, war aber keineswegs
Weitere Kostenlose Bücher