Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
schlanker und eleganter und mit mehr Kabinen.
»Das Dampfschiff nach Valdez«, sagte eine der beiden Frauen. »Haben Sie schon gehört, dort oben soll es einen neuen Goldrausch geben. Ich habe meinem Mann schon gesagt, noch einmal mache ich so was nicht mit, ich nicht!«
»In Fairbanks … da sollen die Nuggets im Ufersand liegen.«
»Alles nur Gerede, Emma. Mich kriegen da keine zehn Pferde hin.«
Clarissa hätte ihr gern gesagt, dass sie vollkommen richtig mit ihrer Einschätzung lag, hatte aber nur Augen für das Dampfschiff, das in diesem Augenblick am Pier festmachte und seine Passagiere an Land entließ. Hauptsächlich Männer, die zu den Goldfeldern im Norden unterwegs waren und sich in Sitka mit Ausrüstung und Proviant eindecken wollten, bevor die Preise unerschwinglich wurden. Einige steuerten zielstrebig die Saloons an, wollten sich wohl noch einmal Mut antrinken, bevor sie wieder an Bord gingen.
Das Dampfschiff nach Valdez, wurde ihr klar, und plötzlich keimte wieder Hoffnung in ihr auf. Wenn einer der Passagiere ihren Brief mitnahm, würde er in ein paar Tagen in Valdez und wenig später bei Dolly ankommen, vielleicht sogar noch, bevor die Humboldt in Vancouver anlegte. Frachtschiffe waren wesentlich länger als Passagierschiffe unterwegs. Sie betrat den Gemischtwarenladen, wartete ungeduldig, bis sie endlich an der Reihe war, und verlangte zum Missfallen des älteren Verkäufers einen Umschlag, den er ihr umsonst gab, als sie mit einem Goldkorn bezahlen wollte. Seine Miene beruhigte sich im nächsten Augenblick, als mehrere Passagiere des angekommenen Dampfschiffes mit langen Einkaufslisten seinen Laden betraten.
Sie steckte die Fotografie und ihren Brief in den Umschlag, klebte ihn sorgfältig zu und schrieb Dollys Adresse darauf. Mit dem Umschlag in der Hand kehrte sie auf den Gehsteig zurück, gerade rechtzeitig, um den Captain des Passagierschiffes an Land gehen zu sehen. Sie erkannte ihn an den vier Streifen auf den Schultern und den Ärmeln seiner Uniform und der eindrucksvollen Schirmmütze. Ein beleibter Mann mit einem eindrucksvollen Bart, ähnlich wie ihn Buffalo Bill trug, der vor dem Büro der Alaska Steamship Company stehen blieb und sich eine Pfeife anzündete.
Clarissa überlegte nicht lange und rannte sofort über die Straße, sehr zum Missfallen der beiden Damen, die ein so wenig damenhaftes Verhalten nicht zu schätzen schienen. Sie hörte nicht, wie sie über sie lästerten, hätte sich aber auch wenig daraus gemacht und hatte nur Augen für den Captain, der bereits eine Hand am Türknauf hatte, als sie ihn erreichte. »Captain! Captain! Bitte!«
Der Captain paffte grinsend an seiner Pfeife. »Na, Sie haben es aber eilig, Ma’am. Mir ist zum letzten Mal vor dreißig Jahren eine Lady hinterhergerannt, und das auch nur, weil ich ihr auf die Füße getreten war.« Er blickte sie aus blitzenden Augen an. »Sie laufen mir doch sicher nicht wegen meiner stattlichen Erscheinung nach. Ich bin gut verheiratet, müssen Sie wissen.«
»Nein«, erwiderte sie nervös, »das heißt, doch … Nein.« Sie errötete und hielt ihm den Brief hin. »Ich wollte Sie bitten, diesen Brief nach Valdez mitzunehmen und dort dem Postmeister zu übergeben. Ich habe leider keine Briefmarke zur Hand, aber ich kann Ihnen zwei Goldkörner geben, Sir …«
»Nun mal langsam, Ma’am«, unterbrach sie der Captain. »Warum gehen Sie denn nicht zum Post Office am Ende der Straße? Die haben auch Briefmarken, und wenn Sie Glück haben, kommt der Brief auch heute noch mit.«
Sie schüttelte heftig den Kopf, hatte furchtbare Angst, dass Thomas Whittler sie hören oder sehen konnte und ihre ganze Anstrengung umsonst war. »Aber ich muss ganz sichergehen, Captain! Der Brief ist wirklich furchtbar wichtig … Es geht um Leben und Tod! Ich wäre Ihnen wirklich sehr verbunden, wenn Sie mir helfen könnten. Tun Sie mir den Gefallen, Captain, bitte!«
»Nun ja«, erwiderte er ein wenig verlegen, »bei so einer hübschen Lady, wie Sie es sind, würde wohl jeder Mann schwach. Also meinetwegen. Und Sie brauchen mir auch keine Goldkörner zu geben, die Briefmarke spendiert Ihnen die Alaska Steamship Company.« Er griff nach dem Brief, blickte flüchtig auf die Adresse und ließ ihn in einer Seitentasche seiner Uniformjacke verschwinden. »Wenn er tatsächlich so wichtig ist, bleibt mir wohl gar nichts anderes übrig.« Er runzelte die Stirn. »Auf Leben und Tod, sagen Sie?«
Sie lächelte schwach. »Nun … auf jeden
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