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Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis

Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis

Titel: Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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junger Mann, etwas zu kräftig und nicht gerade eine Schönheit, der anscheinend etwas zu viel Rum in seinen Tee geschüttet hatte und leicht schwankte. »Aber Sie könnten die Tür aufschließen und mich rauslassen. Mister Whittler hält mich für eine Diebin und glaubt, dass ich ihm weglaufen könnte, aber das stimmt nicht. Ich habe noch nie etwas gestohlen und finde es ziemlich schäbig von ihm, mich in meiner Kabine einzusperren. Lassen Sie mich raus, Matrose. Ich will mich doch nur in der Stadt ein wenig umsehen.«
    »Das geht nicht, Ma’am. Der Captain hat’s verboten.«
    »Der Captain?«
    »Der Captain und Mister Whittler.«
    »Die beiden brauchen es doch gar nicht zu erfahren«, sagte Clarissa, »bis sie vom Frühstück zurück sind, bin ich längst wieder in meiner Kabine.« Sie versuchte ihrer Stimme einen verführerischen Klang zu geben. »Tun Sie einer Lady diesen kleinen Gefallen, Matrose. Es soll nicht zu Ihrem Schaden sein.«
    »Wie meinen Sie das, Ma’am?« Er klang nervös.
    »Ich könnte Ihnen einige Goldkörner geben. Viel habe ich nicht, aber …«
    »Ein Kuss wäre mir lieber.«
    Clarissa erschrak. Es gab Schöneres, als von einem angeheiterten Matrosen geküsst zu werden, aber wenn es die einzige Möglichkeit war … »Okay.«
    »Okay?«
    »Okay … aber nur einen kurzen.«
    »Auf den Mund.«
    Sie schluckte verlegen. »Auf den Mund.«
    Diesmal schwieg der Matrose. Sie hatte schon Angst, dass er sich aus dem Staub gemacht hatte, dann hörte sie ihn sagen: »Aber ich hab keinen Schlüssel. Den hat Mister Whittler mitgenommen. Es sei denn …« Wieder eine längere Pause, und dann: »Auf der Brücke hängt noch einer. Der passt überall.«
    »Dann holen Sie ihn, Matrose!«
    »Ich heiße Jim … Jim Collier.«
    Sie verbarg mühsam ihre Ungeduld. »Holen Sie ihn, Jim!«
    Er verschwand, und sie glaubte schon, sie hätte ihn mit ihrer Zusage so erschreckt, dass er nicht mehr wiederkommen würde, als erneut Schritte erklangen und der Matrose am Fenster vorbeikam. Er blieb vor ihrer Tür stehen und zögerte lange. »Und Sie geben mir wirklich einen Kuss? Kein Witz?«
    »Nur, wenn Sie die Tür aufmachen.«
    Sie hörte, wie der Schlüssel ins Schloss geschoben und gedreht wurde. Die Tür sprang auf, und der Matrose erschien auf der Schwelle. Bei ihrem Anblick errötete er doch ein wenig.
    Sie überlegte nicht lange, trat auf ihn zu und drückte ihm einen Kuss auf die aufgesprungenen Lippen. Er schmeckte nach Rum und Tabak und dem Haferbrei, den es zum Frühstück gegeben hatte. Nur mühsam widerstand sie dem Drang, seinen Speichel von ihren Lippen zu wischen. Verzeih mir, Alex, entschuldigte sie sich in Gedanken, aber anders komme ich hier nicht raus.
    »Sie warten hier, bis ich zurück bin. Ich brauche nicht lange.«
    Der Matrose strahlte über beide Backen.
    »Haben Sie mich gehört? Sie sollen in meiner Kabine warten, bis ich wieder hier bin. Ich brauche nicht lange. In einer halben Stunde bin ich zurück.«
    »Aye, Ma’am. Und dann bekomme ich noch einen Kuss.«
    »Wenn es unbedingt sein muss, Jim. Ich gehe jetzt.«
    Sie spähte vorsichtig aus der Tür, konnte niemanden an Deck sehen und stieg rasch zur Gangway hinunter. Mit hochgesteckten Haaren, um nicht sofort als Frau erkannt zu werden und dadurch mehr Aufmerksamkeit zu erregen, ging sie von Bord. Sie eilte an einigen Hafenarbeitern vorbei, die ihr dennoch neugierig nachstarrten, und erreichte die Hauptstraße, die morastig und von zahlreichen Wasserlachen übersät war. In Sitka kam der Frühling einige Wochen früher als in Fairbanks, und es war längst kein Schnee mehr zu sehen. Dafür regnete es oft. Sie stieg über die Bretter, die man über den Schlamm gelegt hatte und flüchtete unter das Vorbaudach eines großen Gemischtwarenladens.
    Ohne sich um zwei Frauen zu scheren, die mit ihren Einkaufskörben vor der Auslage standen und sich lautstark über die Verfehlungen ihrer Männer unterhielten, blickte sie zum Hafen hinunter. Die Männer, die ihr nachgestarrt hatten, kümmerten sich längst wieder um ihre eigenen Angelegenheiten und schienen sie bereits vergessen zu haben. An Bord der Humboldt war überhaupt niemand zu sehen, anscheinend hatte der Captain den meisten Männern heute Freigang gewährt. Dumpfes Tuten kündigte die Ankunft eines weiteren Dampfschiffes an, das langsam aus dem Dunst über der Bucht hervorkam und sich dem Pier für Passagierschiffe näherte. Ein stattliches Schiff, ungefähr so groß wie die Humboldt, nur

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