Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
ist zu allem fähig.«
»Sie haben mir nichts getan, Clarissa. Es geht mir gut.«
»Aber Ihnen geht es schlecht, Clarissa. Sie haben eine schwere Grippe, und ich werde Sie einige Tage hierbehalten müssen.« Er erriet ihre Frage, bevor sie den Mund öffnete. »Ihrem Kind geht es gut, Clarissa. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Und Sie werden auch wieder gesund.« Er legte den Spatel in eine Schale und blickte sie fragend an. »Warum haben Sie denn nicht auf besseres Wetter gewartet und eine spätere Kutsche genommen?«
»Ich weiß nicht, Doc. Ich … ich wollte nach Hause.«
»Nun, damit werden Sie noch etwas warten müssen. Ich denke, Sie haben in letzter Zeit so viel erlebt, dass Ihnen ein wenig Ruhe sehr guttun wird.« Er lächelte. »Keine Angst, ich berechne Ihnen kein Honorar. Meine Frau sagt, nach den vielen Schicksalsschlägen ist es unsere Pflicht, Ihnen zu helfen.«
»Ich … ich bin Ihnen sehr dankbar, Doc.«
Clarissa wurde mit einem Rollstuhl in das Krankenzimmer für Frauen gefahren. Sie war die einzige Patientin. Betty-Sue half ihr beim Ausziehen, öffnete die Reisetasche und zog ihr das Nachthemd an, das Sam Ralston gekauft hatte. Clarissa war froh, als sie endlich im Bett lag. Sie schluckte die Tabletten, die Betty-Sue ihr reichte, und hätte noch viele Fragen an sie gehabt, schlief aber sofort ein und wachte erst spät am nächsten Morgen wieder auf.
Sie fühlte sich noch schlechter als am Vorabend. Ihre Glieder schmerzten, und ihr Hals war entzündet. Ihr Körper war glühend heiß. Sie glaubte, einige Schatten vor ihrem Bett zu sehen und leise Stimmen zu hören, wahrscheinlich der Doktor und Betty-Sue, doch mehr als »hohes Fieber« und »braucht viel Ruhe« verstand sie nicht. Vor Erschöpfung fielen ihr die Augen zu. Sie spürte kalte Wickel an ihren Beinen und eine sanfte Berührung, als ihr jemand den Schweiß von der Stirn tupfte. »Das wird wieder«, hörte sie Betty-Sue sagen.
Die nächsten Tage verbrachte sie in einem seltsamen Dämmerzustand. Im Schlaf suchten sie seltsame Träume heim. Ihr lachendes Kind, eine Tochter, obwohl sie noch gar nicht geboren war. Die indianische Hexe in ihrem Umhang aus Eulenfedern, wie sie mit ihrem Baby in der Wildnis verschwand. Bones, ihr treuer Begleiter, der sich in letzter Zeit viel zu rargemacht hatte. Und Alex, immer wieder Alex, wie er mit dem greisen Medizinmann auf einen heiligen Berg in den White Mountains stieg und die Geister anflehte, ihn ins wirkliche Leben zurückzuschicken. Wenn sie erwachte, dann nur für ein paar Minuten, gerade lange genug, um etwas warme Suppe zu löffeln und ihre Medizin einzunehmen. Sie wusste weder, ob es Tag oder Nacht war, denn Betty-Sue schien immer in ihrer Nähe zu sein, noch hatte sie eine Ahnung, wie viel Zeit inzwischen vergangen war.
Als sie am Morgen des vierten Tages die Augen öffnete, fühlte sie sich schon wohler. Die Schmerzen hatten endlich nachgelassen, und sie konnte wieder klar sehen. Beim Anblick von Betty-Sue leuchteten ihre Augen. Sie griff nach ihrer Hand und drückte sie dankbar. »Betty-Sue«, flüsterte sie.
»Ich dachte schon, du wachst gar nicht mehr auf«, begrüßte sie die Freundin lächelnd. Sie hielt ein Fieberthermometer hoch. »Es geht dir schon viel besser. Kaum noch Temperatur. In ein paar Tagen bist du wieder gesund. «
»Wenn ich dich nicht hätte«, sagte Clarissa.
»Und Doc Boone«, ergänzte Betty-Sue.
Weitere drei Tage später war Clarissa tatsächlich wieder auf dem Damm. Ihre Temperatur war normal, die Gliederschmerzen hatten stark nachgelassen, und sie konnte wieder ohne Beschwerden schlucken. Sie war lediglich etwas erschöpft vom vielen Liegen und den Schmerzen, die sie während der vergangenen Tage geplagt hatten. »Und ich dachte schon, du bist zurück nach San Francisco gefahren«, sagte sie zu Betty-Sue. »Ich hätte es dir nicht verdenken können. Du hast einiges mitmachen müssen, du Arme. Ich hätte …« Sie streckte die Hand nach ihr aus. »Ich hätte besser auf dich aufpassen sollen. Du hattest doch gar nichts mit der Sache zu tun!« Sie bekam die Hand der Freundin zu fassen und drückte sie liebevoll. »Thomas Whittler ist ein Scheusal! Wie oft habe ich ihn gebeten, dich freizulassen, aber er hat nur gelacht.«
Betty-Sue lächelte. »Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen, Clarissa. Mir geht es gut. Sieh mich doch an … Ich trage wieder meine Schwesterntracht und kann bei den Menschen bleiben, die ich lieb gewonnen habe … was will
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