Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
Fairbanks?«
»Morgen früh. Die Kutsche fährt doch jeden Morgen?«
»Inzwischen sogar zwei Mal am Tag. Die meisten Goldsucher können gar nicht schnell genug nach Fairbanks kommen. Mir wäre es, ehrlich gesagt, lieber, sie würden einige Zeit in Valdez bleiben und mehr Geld in unseren Geschäften lassen.« Sie blickte auf Clarissas gewölbten Bauch. »Sie sollten auch ein paar Tage warten, Ma’am. Da draußen braut sich ein Unwetter zusammen, und wer weiß, was unterwegs alles passiert. Letzte Woche blieb eine Kutsche im Schlamm stecken, und die Passagiere mussten sieben Meilen bis zur nächsten Station laufen. Vergessen Sie nicht, dass Sie schwanger sind!«
Clarissa dachte an die Männer. »Ich muss weiter, Hazel. Ich will so schnell wie möglich zu meinem Mann. Ich musste viel zu lange auf ihn verzichten.« Sie berührte ihren Bauch. »Meinem Baby macht die Schaukelei nichts aus.«
»Wollen wir’s hoffen, Ma’am.«
Beim Abendessen mit den anderen Gästen war Clarissa nicht besonders gesprächig. Sie schob es auf ihre Müdigkeit und präsentierte ihren gewölbten Bauch so auffällig, dass nicht nur die wenigen Frauen, die ihre Männer auf die Goldfelder begleiteten, ihren Zustand erkannten. Niemand versuchte sie zurückzuhalten, als sie sich vor allen anderen verabschiedete. In ihrem Zimmer sank sie mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür. Erst jetzt schien ihr bewusst zu werden, wie sehr sie die Angst vor Smith und Raven bedrückte. Viele Leute mochten sie für tapfer und furchtlos halten, weil sie lange Reisen und zahlreiche Abenteuer überstanden hatte, aber selbst eine mutige Frau hätte gegen diese Verbrecher nicht die geringste Chance. Sie waren Abgesandte des Teufels, die keine Gnade kannten und auch nicht davor zurückschrecken würden, eine schwangere Frau zu verletzen oder zu töten. Beide, besonders der schweigsame Indianer, schienen immun gegen Gefühle zu sein.
Einem Instinkt folgend, trat sie ans Fenster und blickte auf die Hauptstraße hinab. Noch war es nicht dunkel, obwohl in den meisten Häusern, vor allem aber in den Saloons und anderen Lokalen, schon die Lichter brannten. Jetzt im Frühling wirkte die Stadt durch den fehlenden Schnee schmutziger. Auf der Hauptstraße war der Morast so tief, dass die Pferdefuhrwerke und die Planwagen mit Ochsengespannen große Mühe hatten, vorwärtszukommen. Für die Fußgänger lagen Bretter über dem Schlamm. Ein Mann, wie ein vornehmer Städter gekleidet, trug seine Frau auf Händen über die Straße und verlor dabei beinahe das Gleichgewicht, sehr zur Freude der anderen Passanten.
Clarissa interessierte das Schauspiel nicht. Ihre Aufmerksamkeit galt Smith und Raven, die vor einem der Saloons an einem Vorbaupfosten lehnten und in ihre Richtung blickten, als wüssten sie ganz genau, dass sie in der Pension abgestiegen war. In ihrem Zimmer brannte keine Lampe, und sie waren so weit von ihr entfernt, dass sie ihr Gesicht hinter dem Fenster sicher nicht erkennen konnten, doch sie blieben weiter stehen und fixierten sie so angestrengt, dass sie die Nerven verlor und rasch zur Seite trat. Ihre Entführer hatten es anscheinend darauf angelegt, sie im Auge zu behalten und nervös zu machen. Im Schein der Fackeln wirkten ihre hageren Gesichter dämonenhaft, als wären ihr die bösen Geister, von denen der greise Medizinmann gesprochen hatte, schon auf den Fersen. Sie trugen keine Gewehre über den Schultern, aber sie nahm an, dass ihre Revolver hinter den Gürteln steckten.
Sie spähte vorsichtig auf die Straße und beobachtete, wie sie im Saloon verschwanden. Ein paar Minuten später kam Sam Ralston aus dem Valdez Hotel und betrat ebenfalls die Kneipe. Auch sein Gesicht war im Feuerschein deutlich zu erkennen. Er trug sein Pokerface, eine starre Miene, die nicht erkennen ließ, was in seinem Kopf vorging und wie er sich entscheiden würde. Wahrscheinlich dafür, Smith und Raven im Pokerspiel zu besiegen und ihnen die Lust zu nehmen, sie weiter nach Fairbanks zu verfolgen. Wie er das anstellen wollte, war ihr vollkommen unklar, aber er schien immer einen Weg zu finden.
Am nächsten Morgen, als sie in die Kutsche stieg, erfuhr sie es aus erster Hand. Einer der Fahrgäste war ebenfalls im Saloon gewesen und hatte erlebt, wie sich Ralston mit den beiden Männern geprügelt hatte. Der Deputy Marshal hatte die drei Männer eingesperrt und ihnen angedroht, sie erst in drei Tagen wieder aus der Zelle zu lassen. Auf sein Gefängnis war er sehr stolz. Es war
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