Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
Vorwärts!«
Der Sturm brach auf halber Höhe los, schlug ihnen mit fauchendem Wind und treibendem Schnee entgegen und kam so plötzlich, dass ihnen keine Möglichkeit blieb zu reagieren. Clarissa beobachtete entsetzt, wie eine heftige Windböe zwischen die Hunde fuhr und sie gegen eine unsichtbare Wand laufen ließ. Der Schlitten schleuderte und stellte sich quer. Dichte Flocken wirbelten ihnen entgegen. Sie befreite sich von ihren Decken und sprang vom Schlitten, wurde von dem heftigen Wind zu Boden geworfen und rappelte sich wieder auf. Dann sah sie mit schreckensbleichem Gesicht, wie sich direkt über ihnen ein Schneebrett löste, und schaffte es nicht einmal zu schreien. Ihr »Weg hier! Nach links, Alex!« erstickte in den Schneemassen, die von den Felsen fielen und sie unter sich begruben.
Der Schnee war plötzlich überall, in Mund, Nase, Ohren und Augen, lag immer schwerer auf ihr und schien sie ersticken zu wollen. In ihrer Panik ruderte sie mit beiden Armen, bekam einen winselnden Husky zu fassen und grub sich mit ihm an die Oberfläche. Sie spuckte und keuchte und rang nach Luft und wischte sich den Schnee aus den Augen. Tief zog sie die eisige Luft in ihre Lungen. Sie kam wieder zu Bewusstsein und erkannte Emmett, den die Wucht des Schnees von der Führungsleine gerissen hatte. Auf den ersten Blick schien er unverletzt. »Emmett! Du musst mir helfen, Emmett! Wir müssen Alex finden! Alex und deine Freunde!«
Unbeholfen wie eine Verwundete, die in den Trümmern ihres abgebrannten Hauses nach Überlebenden sucht, stapfte Clarissa durch den Schnee. Der Sturm war in vollem Gange, warf sie immer wieder um und trieb ihr dichte Flocken ins Gesicht, wenn sie stehen blieb und nach Alex grub. Inzwischen waren bereits drei Huskys aus dem Schnee gekrochen, und ein vierter, der junge Benny, war gerade dabei. »Wo bist du, Alex?«, rief sie. »Verdammt, du musst doch irgendwo sein! Sag doch was!« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Warum haben wir nicht gewartet, Alex? Wir hätten warten sollen, bis der elende Sturm vorbei ist.«
Sie griff wieder in den Schnee und bekam etwas Festes zu fassen. Ein Arm oder ein Bein! Sie grub mit beiden Händen, bis sie Alex fühlte und ihn aus dem Schnee zog. Sie wischte sein Gesicht sauber. »Bist du okay, Alex? Bitte sag, dass du okay bist!«
»Ich bin … ich glaube, es ist noch alles dran«, stammelte er.
»Dein Kopf! Wie geht es deinem Kopf?«
Er würgte und spuckte in den Schnee. »Ich … ich war ein Idiot, Clarissa! Ich hätte … hätte auf dich hören so-sollen … Ich bin … noch nicht … so weit.«
»Es wird alles wieder gut, Alex! Glaube mir!« Sie küsste ihn auf den kalten Mund und half ihm auf, stöhnte vor Schreck, als ihn der Wind erneut zurückwarf und sie ihn noch einmal hochziehen musste. Gebückt und immer noch schwankend, blieb er stehen. »Den Hang hoch und zur Felswand! Da sind wir geschützt!« Sie sah, dass er es nicht allein schaffen würde, und legte ihren rechten Arm um seine Hüften. »Ich helfe dir. Es ist nicht weit … Nur ein paar Schritte, dann sind wir auf dem Trail!« Sie schob ihn und zog ihn, stürzte selbst alle paar Schritte, stemmte sich jedes Mal wieder hoch, mobilisierte ihre letzten Kräfte, obwohl sie längst außer Atem war, und zerrte ihn auf den Trail. Tief gebückt, um besser gegen den Wind geschützt zu sein, überquerten sie den Trail und krochen in die Felsennische, die sie schon vor dem Unwetter entdeckt hatte. Dort erreichte sie der böige Wind noch immer, aber sie waren wesentlich besser gegen den Sturm geschützt.
»Rühr dich nicht vom Fleck!«, schärfte Clarissa ihrem Mann wie einem ungezogenen Jungen ein. »Ich sehe nach den Hunden.« Bevor er etwas einwenden konnte, war sie wieder im Sturm und hastete zum Hang.
Emmett stand etwas abseits, wie ein Schäferhund, der seine Herde bewachte, und trieb seine Artgenossen laut bellend den Hang hinauf. Sie hingen alle noch in den Geschirren und an der Führungsleine fest und bemühten sich verzweifelt, den Schlitten loszubekommen. Er steckte im Schnee fest. »Wartet! Ich helfe euch!«, rief sie und stapfte ihnen entgegen.
Mit einem heftigen Ruck zog sie den Schlitten aus dem Schnee. An einer Kufe zog sie ihn nach oben, jeder Schritt eine Qual, und zerrte ihn mit einer letzten Kraftanstrengung auf den Trail. Emmett folgte ihnen bellend und beobachtete, wie ein Husky nach dem anderen über die Böschung kletterte, etwas benommen stehen blieb und dann vorsichtig eine
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