Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
selbst gemachter Marmelade auf die seltsamen Männer ansprach, sagte Dolly: »Die haben mir auch Angst gemacht. Der Weiße sah in seinem langen Mantel und mit seinem blassen Gesicht wie ein Blutsauger aus, und der Indianer schwieg die ganze Zeit, obwohl ich mir sicher bin, dass er jedes Wort verstand. Sie wollten mir weder verraten, woher sie kamen, noch, wohin sie wollten, und ihre richtigen Namen haben sie mir auch verschwiegen. Der Weiße nannte sich John Smith. Originell, nicht wahr? Und der Indianer malte ein Kreuz ins Gästebuch. Ich gehe jede Wette ein, dass die was auf dem Kerbholz haben, so wie die sich benahmen. Eiskalte Burschen. Die ließen ihre Gewehre und Revolver keine Sekunde aus den Augen.« Sie trank einen Schluck Tee. »Aber lass uns lieber von was anderem reden. Wir brauchen eine Gästeliste für unser Fest. Jerry ist mit einigen Freunden unterwegs und lädt sicher halb Irland ein, und ich will morgen nach Fairbanks fahren und den Leuten persönlich Bescheid sagen. Kannst du mich vertreten? Es reicht, wenn du kurz vor dem Frühstück kommst. Um kurz vor sechs?«
Alex war nicht gerade begeistert vom Nebenberuf seiner Frau, sah aber ein, dass sie ihre Schulden nur auf diese Weise loswürden. Das Geld vom Verkauf der Felle reichte dafür nicht aus.
»Komm zum Mittagessen vorbei«, lud Clarissa ihn ein, als er am nächsten Morgen bemerkte, wie sie zur Tür ging. »Wir haben noch Wildeintopf auf dem Herd stehen, den magst du doch so gern. Wäre sowieso besser, du würdest mittags eine Pause einlegen. Du weißt doch …«
»Ja, ich weiß«, reagierte er unwirsch. »Willst du mich schon wieder bemuttern? Ich weiß selbst, was ich mir zutrauen kann, und das ist eine ganze Menge. Den Verband brauche ich auch nicht mehr!« Er griff sich an den Kopf und nestelte an der Mullbinde herum. »Weg damit! Das Ding geht mir schon viel zu lange auf die Nerven! An die Wunde muss Luft!«
Bevor sie ihn daran hindern konnte, wickelte er sich den Verband vom Kopf und stöhnte vor Schmerz, als er die vernarbte Wunde aufriss. »Verdammt!«, fluchte er. »Was hat dieser Wunderdoc bloß mit mir gemacht?«
»Er hat dir das Leben gerettet«, erwiderte sie schärfer als beabsichtigt, »ohne ihn wärst du vielleicht schon tot! Aber du musst dich natürlich an seine Anweisungen halten, wenn du nicht ewig an den Nachwehen leiden willst!« Schon als sie die Worte aussprach, taten sie ihr leid, doch als sie eine Hand auf seine Wange legte und ihn beschwichtigen wollte, rannte er nach draußen, und Minuten später fuhr er mit dem Hundeschlitten davon.
Wütend auf sich selbst wusch Clarissa das Frühstücksgeschirr. In ihren Augen sammelten sich Tränen. Sie hätte sich ohrfeigen können, so wütend war sie. Das nächste Mal würde sie dreimal überlegen, bevor sie ihm Vorwürfe machte. Er ist außer Lebensgefahr, aber er ist immer noch krank, beschwor sie sich, ich darf ihn nicht so runtermachen und wie ein kleines Kind behandeln. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und räumte das Geschirr weg. Durchs Fenster beobachtete sie, wie im Roadhouse das Licht anging. Sie löschte die Petroleumlampe, zog ihren Anorak an und stapfte den Hang hinab. Es hatte zu schneien begonnen.
Dolly wartete im Morgenmantel auf sie. »Hey, du bist zu früh. Hat dich Alex rausgeworfen?« Sie war wie meist guter Laune und wurde erst nachdenklich, als Clarissa in den hellen Flur trat. »Hast du etwa geweint?«
Clarissa schilderte ihr, was passiert war, und nahm dankend an, als ihr die Freundin einen Tee und Kekse anbot. »Ich tauge nicht zur Krankenpflegerin«, sagte sie. »Immer reagiere ich falsch. Mal bin ich zu mütterlich, mal zu streng, und immer wenn ich glaube, jetzt geht es endlich aufwärts mit ihm, kommt ein weiterer Rückschlag, und er geht wieder hoch.«
»Das ist doch ganz normal«, tröstete sie Dolly. »Die Operation war schließlich kein Pappenstiel. Es wird noch einige Zeit dauern, bis er wieder voll einsatzfähig ist, das war mir von vornherein klar, und dass er öfter mal durchdreht, ist doch verständlich. Er will sein altes Leben wieder führen und ärgert sich, weil ihm der verdammte Kopf immer noch einen Strich durch die Rechnung macht. Du musst Geduld mit ihm haben. Du wirst sehen, in ein paar Wochen ist er wieder der Alte. Ganz bestimmt.«
»So ähnlich hat es Dr. Blanchard auch ausgedrückt. Nun ja, er hat sich vielleicht ein bisschen gewählter ausgedrückt. Es ist nicht einfach, Dolly.«
»Das hat ja auch niemand
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