Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
ab. »Du legst dich besser ins Bett und ruhst dich aus. Eine Tasse von meinem Kräutertee, und du schläfst wie ein Murmeltier.«
Das stimmte tatsächlich, doch als sie am nächsten Morgen während des Frühstücks aufsprang und sich in einen herumstehenden Eimer übergab, zog Dolly die Augenbrauen zusammen. »Ich glaube, ich weiß, was du hast«, sagte sie, als Jerry mit seinen irischen Freunden das Roadhouse verließ und mit ihnen den Bau der neuen Blockhütte besprach. Ihre Stimmen schallten bis zu ihr in den Gästeraum. »Hast du deine Regel schon bekommen, Clarissa?«
»Meine Regel? Nein … aber ich bin manchmal spät dran.« Sie erkannte erst jetzt, warum Dolly diese Frage gestellt hatte, und riss ungläubig die Augen auf. »Du glaubst doch nicht, dass … das glaubst du nicht wirklich, oder?«
»Angeblich fängt es so bei jeder Frau an.«
»Ich … schwanger? Das glaube ich nicht.«
»Wieso denn nicht?«
»Weil … weil ich gar nichts spüre.«
»Dir ist übel, deine Regel bleibt aus …«
»Ich kriege ein Kind? Aber Alex …«
»Du meinst, Alex ist nicht zu Hause?« Dolly nahm sie lachend in den Arm. »Alex wird ja wohl kaum neun Monate brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen. Und die Arbeit musst du sowieso allein machen. Beim Kinderkriegen sind die Männer nur im Weg. Ich hab zwar nie eins bekommen, aber genug Frauen in Dawson gekannt, die schwanger waren. Männer stören da nur.«
»Ich glaub das nicht … Ich glaub das einfach nicht …«
»Dann fahren wir am besten gleich zu Doc Boone. Ich wollte heute sowieso in die Stadt und ein paar Sachen einkaufen. Vor allem Kaffee. Du glaubst nicht, wie viel Kaffee diese Iren trinken. Der Eintopf für heute Mittag steht sowieso schon auf dem Herd, den kann Jerry austeilen, und zum Abendessen sind wir wieder hier. Was meinst du? Wenn wir Zeit haben, kehren wir in dem neuen Café ein, das gehört einem Deutschen, der backt die beste Torte der Welt. Schwarzwälder Kirsch oder so. Du musst jetzt für zwei essen, Clarissa! Nur um den Zeitungsmann sollten wir einen großen Bogen machen …«
»Noch ist es ja gar nicht sicher«, wehrte Clarissa ab.
»Oh doch, das ist sicher. Du wirst sehen …«
Wenige Minuten später waren sie nach Fairbanks unterwegs. Jerry hatte nichts dagegen, rief ihr lediglich nach: »Bring uns Whiskey und Tabak mit!«, und sie rief zurück: »Tabak könnt ihr haben, aber Whiskey haben wir genug im Haus, und ich hab keine Lust, euch ständig … ihr wisst schon! Seht lieber zu, dass ihr die Hütte fertigkriegt. Unsere Clarissa braucht dringend Ruhe.«
»Clarissa braucht Ruhe? Sag bloß, sie ist …«
»Halt die Klappe, Jerry!«
Dolly lenkte den Schlitten, sie hatte darauf bestanden, ihren zu nehmen, weil Clarissa sich nicht anstrengen durfte. Sie benahm sich fürsorglicher als eine Mutter, fühlte sich für sie verantwortlich und redete schon davon, wie sie das Töchterchen bei der Taufe halten würde, falls sie die Taufpatin sein dürfte.
Clarissa lachte amüsiert. »Natürlich mache ich dich zur Taufpatin«, rief sie in den Fahrtwind, aber wie kommst du darauf, dass es ein Mädchen wird?«
»Harte Männer wie Alex wünschen sich meistens einen Jungen und träumen davon, mit ihm auf die Jagd zu gehen und spannende Abenteuer zu erleben. Aber dann wird es fast immer ein Mädchen, und sie verwöhnen die armen Dinger bis zum Geht-nicht-mehr. Frag mich nicht, woher ich das weiß.«
Sie kamen schnell voran. Die Sonne stand bereits über den Bäumen im Osten und leuchtete auf dem Trail und dem nahen Fluss. »Noch zwei, drei Wochen, dann bricht das Eis auf«, erkannte Clarissa, als sie auf den Chena River fuhren. »Es wird Zeit, dass du deine Pferde an das Laufen gewöhnst.«
In Fairbanks hatte sich die Hauptstraße an manchen Stellen bereits in eine Schlammwüste verwandelt. Breite Holzbretter führten an den Läden vorbei und von einer Straßenseite zur anderen. Dolly musste einen Umweg über einige Seitenstraßen nehmen, um zum Krankenhaus zu kommen. Vor dem Eingang bremste sie den Schlitten. »Ich gehe schon mal einkaufen und warte im Café an der Ecke, aber lass mich nicht zu lange warten. Ich bin furchtbar neugierig. Du bist mir doch nicht böse, wenn ich schon mal ein Stück Kuchen esse?«
»Natürlich nicht«, erwiderte Clarissa. »Aber lass noch was übrig.«
Im Krankenhaus suchte sie vergeblich nach Betty-Sue, aber Doc Boone und seine Frau kamen ihr sofort entgegen und sahen ihr schon an der Nasenspitze an, was sie
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