Clarissa - Wo der Himmel brennt
die Hunde anfeuerte. Auch auf dem Hügelkamm, der sich vor ihnen ausbreitete, wehte der Wind in kräftigen Böen, nur war der Trail breiter und ebener, und sie kamen schneller voran. Die Huskys, erleichtert über den geglückten Anstieg, rannten befreit über den holprigen, nur von gelegentlichen Wehen bedeckten Schnee. Der Himmel über ihnen war voller Wolken, sodass weder die untergehende Sonne noch der aufgehende Mond mit den ersten Sternen zu sehen waren. Die Nacht senkte sich herab.
»Wird Zeit für ein Nachtlager!«, ermahnte Clarissa den Indianer.
»Ich kenne einen geschützten Platz«, rief Tommy zurück. »Das Versteck kennt niemand. Aber zuerst müssen wir vom Trail runter!« Ohne Vorwarnung lenkte er das Hundegespann vom markierten Trail und trieb sie zwischen einigen Felsen zwischen die Bäume, die sich aus dem Schnee erhoben. Wie Skelette reckten sie ihre verkrüppelten Äste in den Dunst, der sich zwischen den Felsen verfangen hatte. Auf einer Böschung bekam der Schlitten plötzlich Schlagseite, fing sich aber gleich wieder und holperte über einige abgestorbene Zweige, die sich im Schnee verfangen hatten. Über einen zugefrorenen Bach, dessen Eis teilweise durch den Wind aufgeworfen war und den Hunden schwer zu schaffen machte, erreichten sie eine bewaldete Senke, die wie ein Keil in ein lang gestrecktes Tal reichte, auf dessen anderer Seite ein kaum erkennbarer Pfad im trüben Dunst verschwand. »Ein alter Indianerpfad … Hab ich mal auf der Jagd entdeckt. Dort finden uns die Mounties bestimmt nicht.«
Zwischen einigen Fichten hielt Tommy den Schlitten an. Er bohrte den Anker in den Schnee und sagte: »Hier schlagen wir unser Nachtlager auf.«
Clarissa stieg vom Schlitten und sah sich bekümmert um. Die Fichten boten einen gewissen Schutz, und doch hatte sie das Gefühl, zwischen den Felsen am Trail wäre ein besserer Platz gewesen. Nur für einen Augenblick dachte sie daran, dass man sie in dieser abgelegenen Wildnis niemals finden würde, falls ihr was passierte. »Wenn du meinst«, sagte sie zu dem Indianer.
29
Tommy ließ die Huskys angespannt und fütterte sie mit getrocknetem Lachs aus seinen Vorräten. Während er die Zeltplanen vom Schlitten nahm und zwei schützende Unterstände unter den Fichten errichtete, sammelte Clarissa einigermaßen trockene Äste und Zweige und machte sich daran, ein Feuer anzuzünden. Der Indianer beobachtete sie neugierig, offensichtlich bezweifelte er, dass sie dazu fähig wäre, und gab sich erst zufrieden, als das Feuer brannte.
Sie packte den Topf aus, den Mrs Buchanan ihr mitgegeben hatte, füllte ihn mit Schnee und stellte ihn in die Flammen. Tommy kramte seinen Becher und Kaffee aus dem Vorratsbeutel und begnügte sich mit dem Trockenfleisch aus seinem Proviantsack. Clarissa gönnte sich heißen Tee und ein mit Elchschinken belegtes Sandwich. »Auch ein Sandwich?«, fragte sie den Indianer.
Tommy schüttelte den Kopf. Er gab sich weder freundlich noch besonders gesprächig und vermied den direkten Augenkontakt mit ihr. Von einem weisen Medizinmann wusste sie, dass es bei vielen Stämmen als unhöflich galt, seinem Gegenüber und besonders einer Frau direkt in die Augen zu blicken, aber ein Indianer war auch nicht so ungeduldig wie dieser junge Mann und fluchte ständig. Tommy vermittelte eher den Eindruck, nichts von den Traditionen seines Volkes wissen zu wollen und sich für seine Herkunft zu schämen. Aus der Ferne hätte man meinen können, es mit einem Weißen zu tun zu haben, und nicht nur, weil er sich wie ein weißer Fallensteller kleidete.
Er schob ein weiteres Holzscheit ins Feuer, bevor er sich auf einen umgestürzten Baumstamm setzte, der vom Blitz gefällt worden war und zwischen den Bäumen im Schnee lag. Anscheinend vertraute er darauf, dass man sie in der Senke nicht sehen konnte. Clarissa setzte sich mehrere Schritte von ihm entfernt auf denselben Baumstamm und aß schweigend. Sie hatte vergessen, Zucker mitzunehmen, und trank ihren Tee nur widerwillig, aber sie wollte den Indianer nicht nach Zucker fragen. Von sich aus bot er ihr keinen an, obwohl er längst bemerkt haben musste, wie sie bei jedem Schluck das Gesicht verzog.
»Wie lange brauchen wir nach Dawson City?«, brach sie das Schweigen.
»Eine Woche … vielleicht länger.«
»Gibt es unterwegs Hütten, in denen wir schlafen können?«
»Sicher … Aber dort rasten auch die Mounties.«
War er plötzlich so schweigsam und abweisend, weil er sie für eine gesuchte
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