Clarissa - Wo der Himmel brennt
kam und die Vorhänge zur Seite schob. Beim Wrack des ausgebrannten Planwagens stand er, zusammen mit Bones, der diesmal wirklich ein Wolf war und sich mit ihm verbündet zu haben schien. Zusammen liefen sie aus ihrem Leben, an dem Planwagen vorbei und in die dunkle Nacht, ohne sich nach ihr umzudrehen oder ihr einen Abschiedsgruß zuzurufen. »Alex!«, rief sie in panischer Angst. »Alex! Lass mich nicht im Stich! Alex, wo willst du denn hin?«
Noch während sie sprach, klopfte es laut an ihre Zimmertür, und sie schreckte schweißgebadet aus ihrem Traum. »Alex!«, rief sie verstört. »Bist du das, Alex?«
Die Tür ging auf, und Mrs Buchanan betrat den Raum. Sie hielt eine Öllampe in der Hand, in deren flackerndem Lichtschein eine zweite Gestalt sichtbar wurde. Eine junge Frau, die dunkelblonden Haare offen und zerzaust, die Augen entzündet vom vielen Weinen. Ihr langer Mantel stand offen.
»Dolly!« Clarissa vergaß ihren Traum und rieb sich erstaunt die Augen. »Mein Gott, Dolly! Was ist passiert?« Sie blickte zum mondhellen Fenster. »Es ist doch sicher schon nach Mitternacht! Was tust du um diese Zeit hier?«
»Es ist zwei Uhr früh«, antwortete die Wirtin, »und ich hätte Sie normalerweise nicht geweckt. Aber Dolly hat alle Hotels und Pensionen nach Ihnen abgeklappert und ausdrücklich nach Ihnen verlangt. Und weil Sie doch gestern Nachmittag versucht haben, sie im Hotel zu treffen …«
»Luther ist verschwunden!«, stieß Dolly hervor und begann sofort wieder zu weinen. Sie lief auf Clarissa zu und sank neben ihr aufs Bett, legte ihren Kopf auf ihre Brust und umarmte sie fest. »Er ist nicht zurückgekommen!«
Clarissa spürte die Tränen der Engländerin auf ihrem Körper und blickte hilfesuchend auf Mrs Buchanan. Die zuckte nur mit den Schultern. »Was soll das heißen, er ist verschwunden? Wovon ist er nicht zurückgekommen, Dolly?«
»Vom Ausrüster … dem Laden …« Dolly wurde von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt und drängte sich noch dichter an Clarissa. Sie klammerte sich so fest an sie, als hätte sie nicht vor, sich jemals wieder von ihr zu lösen.
»Beruhige dich erst mal«, sagte Clarissa. Sie strich ihr über das zerzauste Haar und wischte ihr mit dem Handrücken einige Tränen von den Wangen. »Du regst dich bestimmt grundlos auf.« Sie wartete geduldig, bis Dolly sich ausgeweint hatte, und zog ein Taschentuch unter dem Kopfkissen hervor. Dolly richtete sich auf und blickte sie aus verweinten Augen an. Im Schein der Nachttischlampe, die Mrs Buchanan angezündet hatte, sah sie noch trauriger und bemitleidenswerter aus. »Also, was ist passiert?«
Dolly wischte sich die Augen trocken und schnäuzte sich lautstark. »Luther ist verschwunden! Gestern Nachmittag kam der Pastor vorbei, der uns getraut hat, ein wirklich netter Mann. Er sagte uns, dass wir uns wegen der hohen Übernachtungspreise keine Sorgen zu machen bräuchten, selbst in einer Pension wie der hier würden sie ordentlich hinlangen. Luther hatte sich wegen des hohen Hotelpreises beschwert. Aber er, der Pastor, würde dafür einen preiswerten Ausrüster kennen, bei dem wir unseren Verlust wieder ausgleichen könnten. Ein guter Freund von ihm, der uns einen großzügigen Rabatt geben würde … als Hochzeitsgeschenk sozusagen. Bei anderen Kunden wäre er nicht so großzügig. Er, der Pastor, würde Luther abholen, sobald die Sonne untergegangen wäre, und ihn zu seinem Freund begleiten. Er wohnt in einer Hütte außerhalb der Stadt … Seinen Namen hat er uns nicht verraten.«
»Und seitdem hast du nichts mehr von ihm gehört?« Clarissa wechselte einen besorgten Blick mit der Wirtin, sie dachte das Gleiche wie sie. »Dann ist er schon über sechs Stunden weg? Und den Pastor hast du auch nicht gesehen?«
»Keinen … Keinen von beiden.« Ihr schossen erneut die Tränen in die Augen. Sie schnäuzte sich rasch, schluchzte ein paar Mal und sagte: »Wir sind keine Dummköpfe, Clarissa. Luther schon gar nicht. Der hat es faustdick hinter den Ohren.« Zum ersten Mal war der Anflug eines Lächelns auf ihrem Gesicht, verschwand aber gleich wieder. »Wir wissen, dass es in Städten wie Skaguay viele Betrüger gibt, die nur darauf warten, ahnungslose Leute übers Ohr zu hauen. Aber ein Pastor … Ich hab schon zu Luther gesagt, dem Pastor kannst du vertrauen. Der hat uns schließlich verheiratet und würde uns niemals reinlegen. Ein Reverend …«
Clarissa hatte sich ebenfalls aufgesetzt, tauschte wieder einen Blick mit
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