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Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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du?«
    Statt einer Antwort drang das Rauschen des Windes vom Kiefernwald herauf, begleitet von einem fernen Rauschen, das wohl von dem Fluss rüberwehte. Der Skaguay River, erinnerte sie sich, der schmale, aber turbulente Fluss, der weiter östlich parallel zum White Pass Trail floss, und dessen Rauschen die Goldsucher bis unterhalb des Passes begleitete. Sie hatte die Karte mit den beiden Routen, über den White Pass und den Chilkoot Pass, bei Mrs Buchanan an der Wand hängen sehen. Einige ihrer Gäste hatten bissige Bemerkungen neben die Routen geschrieben: »Nie wieder!« und »Die Hölle für Männer und Pferde« und »Verdammter Trail« und »Nicht für alles Gold dieser Erde!«. Neben der Doppellinie, die den Skaguay River darstellen sollte, stand ein Wort, das sie nicht einmal in den Mund nahm, wenn sie allein war.
    Ein leises Knurren riss sie aus den Gedanken. Sie fuhr herum und ließ ihren Blick durch die zwischen den Bäumen fast undurchdringliche Dunkelheit wandern. »Bones!«, flüsterte sie hoffnungsvoll und schalt sich zugleich eine Närrin, weil ihr der geheimnisvolle Wolf unmöglich bis nach Skaguay gefolgt sein konnte. Oder konnte ein Geisterwolf wie er überall auftauchen? Sie überlegte, was wohl Alex sagen würde, wenn er in diesem Augenblick ihre Gedanken lesen könnte, und errötete. Du mit deinem Hokuspokus, würde er behaupten, allerdings mit einem Lächeln und nicht abwertend wie andere Männer, wenn sie über indianische Legenden sprachen. Selbst einen Geisterwolf verschlägt es nicht in diese gottverlassene Gegend. Ich glaube, du träumst mal wieder. Kehr lieber um, und lauf nach Skaguay zurück. Dolly hat sich irgendwo verkrochen und heult sich aus. Du wirst sehen, die taucht bald wieder auf!
    Doch das Knurren erklang wieder, und plötzlich waren auch die vertrauten gelben Augen in der Dunkelheit zu sehen. Sie wanderten wie einsame Lichter durch die Nacht, bewegten sich am Waldrand nach Osten und verglühten irgendwo zwischen den Bäumen. Auch das leise Knurren verstummte, und sie fragte sich, ob sie den Geisterwolf wirklich gesehen hatte oder einer optischen Täuschung aufgesessen war. »Bones?«, flüsterte sie vorsichtig.
    Als Antwort war nur das entfernte Knacken von Zweigen zu hören.

20
    Von neuer Kraft beseelt, folgte Clarissa dem Weg, den die Augen des vermeintlichen Wolfes in die Dunkelheit gezeichnet hatten. Sie rutschte über den harten Schnee unterhalb des keilförmigen Felsens und hielt sich mit den Händen an hervorstehenden Felsen oder den klobigen Baumstümpfen fest, um auf dem Hang nicht das Gleichgewicht zu verlieren. In dem Schneeregen, der ihr auf der Lichtung besonders schwer zu schaffen machte, kam sie nur langsam voran. Es war ihr beinahe unmöglich, nach Spuren zu suchen.
    Wie Dolly es geschafft haben sollte, über diesen Hang zu klettern, wusste Clarissa nicht. Entweder war die Engländerin so verzweifelt, dass sie auch die widrigsten Hindernisse überwand, um Skaguay und den Schmerz, den sie dort erlebt hatte, hinter sich zu lassen, oder sie merkte in ihrer Erregung gar nicht, in welche Gefahr sie sich begab. Selbst Clarissa, die sich inzwischen in der Wildnis zu bewegen wusste, hatte große Schwierigkeiten, auf den Beinen zu bleiben.
    Du folgst einem Phantom, schalt sie sich, die gelben Augen hast du dir eingebildet, oder sie gehörten zu einem anderen Wolf, der sich von seinem Rudel entfernt und kein Interesse an dir hatte. Dennoch lief sie weiter, setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, um nicht abzurutschen und fluchte jedes Mal, wenn sie sich in dem eiskalten Schnee abstützen musste. Obwohl sie ihren Hut tief in die Stirn gezogen hatte, spürte sie den Schneeregen im Gesicht und fühlte, wie die Feuchtigkeit bis auf ihre nackte Haut drang. In Alaska war der Winter noch nicht vorbei, zumindest hier draußen nicht.
    Sie hatte schon beinahe den Waldrand erreicht, als sie eine besonders glatte Stelle übersah und wegrutschte, vergeblich nach einem Halt suchte und mit dem Rücken auf den Boden fiel. Sie rutschte ein paar Schritte, bis sie mit den Füßen gegen einen Baumstumpf prallte und sich abstützen konnte. Leise stöhnend blieb sie liegen, erleichtert darüber, dass die immer noch dichte Schneedecke den Sturz gebremst hatte. Sie griff nach ihrem Hut, der ihr während des Sturzes vom Kopf gefallen war, stülpte ihn sich auf den Kopf, stand ächzend auf und wurde auf einen dunklen Stofffetzen im Schnee aufmerksam.
    Sie hob ihn auf und betrachtete ihn

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