Claudius Bombarnac
fremden Accent, ich bin völlig einverstanden.«
Dann setzte er lächelnd hinzu:
»Sie wollen von mir unterrichtet sein …. Hat nicht einer Ihrer hervorragendsten Kritiker, wenn ich nicht ganz irre, gesagt: Die Franzosen lieben nur das zu lernen, was sie bereits wissen ….
– Ich sehe, daß Sie Sainte Beuve gelesen haben, Herr Major, und vielleicht hatte jener skeptische Akademiker im Allgemeinen nicht so Unrecht. Was mich aber betrifft, mache ich eine Ausnahme von der Regel und strebe danach, zu lernen, was ich nicht weiß. Gerade bezüglich des russischen Turkestan bin ich nun so unwissend ….
– Ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung, erwiderte der Major, und es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen die Großthaten des Generals Annenkof, dessen Arbeiten ich beobachtet habe, ausführlich zu schildern.
Wir schütteln uns freundschaftlich die Hände. (S. 74.)
– Besten Dank, Herr Major. Ich erwartete kein geringeres Entgegenkommen von einem Russen gegenüber einem Franzosen ….
– Und, fällt der Major ein, wenn Sie mir gestatten, ein seit Danicheff berühmtes Wort theilweise anzuführen: ›So wird es immer sein, so lange es noch Franzosen und Russen giebt.‹
– Dumas Sohn nach Sainte Beuve! ruf’ ich aus. Ich sehe, Herr Major, daß ich es mit einem Pariser zu thun habe ….
– Der ein geborner Petersburger ist, Herr Bombarnac.«
Wir schütteln uns freundschaftlich die Hände. Bald darauf durchstreifen wir vereint die Stadt, wobei mir Baron Noltitz Folgendes mittheilt:
»Gegen Ende 1885 war es, als General Annenkof in Kizil-Arvat das letzte Stück des Anfangstheiles dieses Schienenweges in der Länge von zweihundertfünfundzwanzig Kilometern zum Abschluß brachte. Von der ganzen Länge entfallen hundertsechzig Kilometer auf die Strecke, die durch die Wüste führt, welche keinen einzigen Tropfen Wasser liefern konnte.« Ehe sich Major Noltitz aber darüber ausließ, wie diese außerordentliche Arbeit durchgeführt wurde, erinnert er mich an die Ereignisse, die Schritt für Schritt die Eroberung Turkestans und dessen dauernden Anschluß an das moskowitische Reich vorbereiteten.
»Bereits 1854 hatten die Russen dem Khan von Khiva einen Bündnißvertrag aufgezwungen. Einige Jahre darauf, 1860 bis 1864, brachten sie, unaufhaltsam nach Osten vordringend, durch zwei Feldzüge gegen Kokhan und Bukhara diese Gebiete in ihre Gewalt. Zwei Jahre später kam Samarkand, und zwar nach den Schlachten bei Irdjar und bei Zera-Buleh, unter ihre Herrschaft.
Jetzt blieb noch der südliche Theil von Turkestan zu bewältigen und vorzüglich die Oase Akhal-Tekke, die bis zur persischen Grenze reicht. Das versuchten die Generale Surakine und Lazareff durch die Expedition von 1878 bis 1879. Der Plan mißlang, und darauf vertraute der Czar den Versuch, die mächtigen Turkmenenstämme zu unterwerfen, dem berühmten General Skobeleff, dem Sieger von Plewna, an.
Skobeleff landete im Hafen von Mikhaïlov – der von Uzun-Ada bestand damals noch nicht – und um seinen Vormarsch durch die Wüste zu erleichtern, erbaute der zweite Befehlshaber der Truppenmacht, der General Annenkof, die strategische Bahn, die binnen zehn Monaten Kizil-Arvat erreichte.
Hierbei vollendeten die Russen also, wie ich schon erwähnte, diesen Schienenweg weit schneller, als die Amerikaner den ihrigen nach dem fernen Westen vorschoben. Das Werk versprach ebenso industrielle wie militärische Vortheile.
Von vornherein stellte der General Annenhof einen aus vierunddreißig Waggons bestehenden Wohnungs-und Arbeitszug zusammen. Dieser enthielt vier zweistöckige Wagen für die Officiere, vier ebensolche für Arbeiter und Soldaten, einen Speisewagen, vier Küchenwagen und einen Krankenwagen. Das waren seine fahrbaren Werkstätten und auch die Kasernen, in denen fünfzehnhundert Militärarbeiter und Beamte wohnten und gespeist wurden. Der Zug bewegte sich dem Fortschreiten des Schienenstranges entsprechend weiter. Die Arbeiter waren in zwei Brigaden getheilt, von denen jede sechs Stunden täglich thätig sein mußte.
Hierzu kamen noch gegen fünfzehntausend aus dem Lande zusammengeströmte Leute, die unter Zelten lebten. Ein Telegraphendraht setzte die Arbeiter mit Mikhaïlov in Verbindung von wo auf einem kleinen Schienenwege, nach Decanvilles’ System, die Schienen und Querschwellen herbeigeschafft wurden.
Unter solchen Verhältnissen und Dank der Horizontalität des Erdbodens betrug der tägliche Fortschritt gegen acht Kilometer, während er
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