Claudius Bombarnac
in China Vorstellungen geben wollen.«
Schauspieler? … Das erklärt freilich das Auftreten und Mienenspiel, die Beweglichkeit des Gesichtes und die ausdrucksvollen Gesten des Herrn Caterna, doch seine seemännische Sprachweise erklärt es noch nicht.
»Und wissen Sie vielleicht auch, welchem Fache diese Künstler angehören? frage ich Popos.
– Der Mann ist jugendlicher Held und Komiker zugleich.
– Und die Frau?
– Erste Liebhaberin.
– Und wohin begiebt sich das lyrische Pärchen?
– Nach Shangai, wo Beide am Theater der französischen Niederlassung engagirt sind.«
Das trifft sich ja herrlich. Da kann ich über das Theater, über Coulissengeschichten und tausenderlei Anderes plaudern, und wie Popof sagt, wird ja die Bekanntschaft mit dem lustigen Komiker und der reizenden Liebhaberin bald zu Stande kommen. Doch auch in ihrer Gesellschaft finde ich schwerlich den romanhaften Helden, das Ziel meiner Wünsche.
Was den hochmüthigen Gentleman betrifft, so weiß unser Zugführer von ihm weiter nichts, als daß sein Reisegepäck folgende Aufschrift trägt: Sir Francis Trevellyan von Trevellyan-Hall, Trevellyanshire.
»Ein Herr, der nicht antwortet, wenn man ihn fragt!« setzt Popof hinzu.
Gut also, so erhält meine Nummer 8 eine stumme Rolle und jedenfalls mit Recht.
»Kommen wir auf den Deutschen, nehme ich wieder das Wort.
– Den Baron Weißschnitzerdörser?
– Der fährt mit bis Peking, glaub’ ich?
– Bis Peking und auch noch weiter, Herr Bombarnae.
– Noch weiter?
– Ja, er ist auf einer Reise um die Erde.
– Um die Erde?
– In neununddreißig Tagen.«
Nach der Mistreß Bisland also, die diese Fahrt in dreiundsiebzig Tagen vollendet hat, nach der Miß Nellie Bly, die dazu zweiundsiebzig brauchte, und nach Seiner Ehren dem Herrn Train, der sie in siebzig Tagen bewältigte, behauptet dieser Deutsche, mit neununddreißig auszukommen? …
Freilich, die Verkehrsmittel sind jetzt wesentlich vervollkommnet, die Fahrlinie mehr gerade und unter Benützung der Groß-Transasiatischen Bahn, die Peking mit der Hauptstadt Preußens in Verbindung setzt, kann der Baron die frühere Reisedauer über Suez und Singapore wohl um die Hälfte abkürzen.
»Der kommt nimmermehr an! rufe ich.
– Und warum nicht? fragt Popos.
– Weil er sich stets verspätet. In Tiflis hat er schon den Zug beinahe versäumt und das Dampfboot in Baku war auch bereits im Abgehen, als er sich einstellte ….
– Aber in Uzun-Ada war er rechtzeitig auf dem Platze.
– Thut nichts, Popof; es sollte mich doch sehr wundern, wenn dieser Deutsche die Amerikaner und Amerikanerinnen im Wettlaufe der ›Globe-trotters‹ besiegte.«
Siebentes Capitel.
Der Zug ist in Kizil-Arvat – zweihundertzweiundvierzig Werst vom Caspisee – angelangt, und zwar um sieben Uhr sieben Minuten, statt genau um sieben Uhr. Diese Verzögerung hat dreizehn Verwünschungen von Seiten des Barons, zwei auf die Minute, hervorgerufen Wir haben im Bahnhofe von Kizil-Arvat zwei Stunden Aufenthalt. Obwohl es schon zu dämmern beginnt, kann ich meine Zeit nicht besser anwenden, als zu einem Besuche der kleinen Stadt, die kaum zweitausend Bewohner, Russen, Perser und Turkmenen, zählt. Zu sehen giebt’s nur wenig, im Innern des Orts, wie in dessen Umgebung, wo die von Bäumen ganz entblößte Landschaft – es wächst hier nicht einmal eine Palme – weiter nichts als Weiden und Getreidefelder zeigt, die von einem dürftigen Flusse bewässert werden. Mein guter Stern hat es gefügt, daß ich den Baron Noltitz als Begleiter, nein, noch mehr, als Cicerone haben sollte.
Unser Bekanntwerden ging sehr einfach vor sich. Der Major kam auf mich zu und ich ging auf ihn zu, als wir nur den Fuß auf den Perron des Bahnhofes gesetzt hatten.
»Mein Herr, begann ich, ich bin Franzose, Claudius Bombarnae, Correspondent des ›XX. Jahrhundert‹, und Sie sind der Major Noltitz vom russischen Heere. Sie gehen nach Peking und ich ebenfalls. Ich kenne Ihre Muttersprache, wie Sie voraussichtlich die meinige …«
Der Major gab seine Zustimmung zu erkennen.
»Nun also, Herr Major Noltitz, statt uns auf dieser langen Fahrt durch Centralasien Einer dem Andern fremd zu bleiben … beliebt es Ihnen, daß wir einander etwas näher treten, als gewöhnliche Reisegefährten? … Sie wissen von diesem Lande Alles, was ich nicht weiß, und es würde mir ein Vergnügen gewähren, mich zu unterrichten über …
– Herr Bombarnae, erwiderte mir der Major französisch und ohne jeden
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