Claudius Bombarnac
Besuche Samarkands entschließt, gewiß besonders gefallen dürfte. Auf drei Seiten des Platzes erheben sich noch recht gut erhaltene Ruinen von drei »Medresses«, wo die »Mollahs« ihren Zöglingen sehr vielseitigen Unterricht ertheilten. Diese Medresses – man zählt deren in Samarkand siebzehn, neben fünfundachtzig Moscheen – diese Medresses heißen Tilla-Kari, Chir-Dar und Ulong-Beg. Im Großen und Ganzen sind sie einander ziemlich ähnlich: in der Mitte ein Thor, das nach den innern Höfen führt, Mauerwerk aus glasirten Backsteinen, die blaßgelbe oder zart blaue Farbe zeigen, neben goldlinigen auf türkisblauem Grande gezeichneten Arabesken, geneigt stehende Minarets die immer umzufallen drohen und doch nicht umfallen, und das zum Glück für ihre Emaillebekleidung, die die unerschrockene Reisende Frau Ujfalvy-Bourdon unsern derartigen Arbeiten für weit überlegen erklärt. Und dann handelt es sich hier nicht um eine auf einen Kamin zu stellende Vase, sondern um Minarets von ziemlicher Höhe.
Diese Wunderwerke sind noch in demselben Zustande wie sie Marco Polo, der orientalische Weltreisende des 13. Jahrhunderts, erblickt hatte.
»Nun, Herr Bombarnae, fragt der Major, bewundern Sie nicht auch diesen Righistan-Platz?
– Er ist wunderschön! sage ich.
– Ja, ließ unser Komiker sich vernehmen, und welch’ prächtige Decoration für ein Ballet, Caroline! Hier eine Moschee, an der einen Seite Garten, dort eine andre mit einem Hofe daneben …
– Du hast Recht, fällt die Soubrette ein, nur müßten die Thürme wohl etwas regelrechter aufgestellt und in der Mitte vielleicht ein leuchtender Springbrunnen angebracht werden …
– Ein vortrefflicher Gedanke, Caroline! Schreiben Sie uns ein Drama, Herr Claudius, ein Ausstattungsstück mit dieser Decoration im dritten Act …. Was den Titel betrifft ….
– Nun, ›Tamerlan‹ paßt dazu ja ausgezeichnet!« antworte ich.
Der Schauspieler verzieht den Mund recht eigenthümlich. Für den Eroberer Asiens scheint es ihm an actuellem Interesse zu fehlen. Der ist nicht so ganz
fin de siècle
.
So neigt er sich zu seiner Gattin und erklärt dieser:
»Nun, als Platz hab’ ich doch an der Porte-Saint-Martin im ›Sohn der Nacht‹ weit Schöneres gesehen …
– Und ich im Châtelet in ›Michael Strogoff‹«.
Am besten lasse ich die beiden Comödianten reden. Sie sehen Alles nur vom Standpunkt des Theaters aus an. Sie ziehen die Luft-und Brettercoulissen dem Azur des Himmels und den Wäldern vor, die schwankende Leinwand dem Wogengange des Oceans, die Perspectiven eines Hintergrundes den Gegenständen, die dieser Hintergrund wiedergibt, eine Decoration von Rubé oder Jambon sonst welcher Landschaft, kurz, sie huldigen der Kunst statt der Natur …. Mir kommt es nicht in den Sinn, ihren Anschauungen eine andre Richtung zu geben.
Da ich den Namen Tamerlan ausgesprochen hatte, frage ich jetzt den Major Noltitz, ob wir nicht das Grab dieses berühmten Tataren besuchen werden. Der Major erklärt, daß wir es auf dem Rückwege sehen werden, und unser Weg führt jetzt zunächst nach dem großen Bazar von Samarkand.
Die Arba hält an einem der Zugänge des großen Rundbaues an, nachdem wir kreuz und quer durch einen Theil der alten Stadt gefahren sind, deren Häuser nur ebenerdig sind und aller Wohnlichkeit zu entbehren scheinen.
Hier im Bazar sind unermeßliche Mengen von Wollstoffen, Tripp-Sammtteppichen von lebhaften Farben, Shawls mit reizendem Muster aufgehäuft und Alles auf den Ladentischen der einzelnen Verkaufsstände durcheinandergeworfen. Vor denselben verhandeln Käufer und Verkäufer mit lauter Stimme über das geringste Handelsgeschäft. Unter den Stoffen befindet sich auch ein »Kanaus« genanntes Seidengewebe, das von den eleganten Samarkanderinnen sehr geschätzt zu sein scheint, obwohl es ähnliche Erzeugnisse von Lyon weder an Güte noch an Glanz erreicht.
Frau Caterna muß aber hiervon schwer in Versuchung geführt werden – vielleicht ebenso wie vor den Schaufenstern des Bon Marché oder des Louvre.
»Das ist ein Stoff, der für mein Costüm als ›Großherzogin‹ Effect machen müßte! sagt sie.
– Und hier stehen Pantoffeln, die mir als Ali Bajou von Caïd großen Erfolg sichern würden!« fährt Herr Caterna fort.
Und während sich die Soubrette die hinreichende Menge Kanaus erhandelt, legt sich ihr Gatte ein Paar grüne Pantoffeln zu, wie sie die Turkmenen anziehen, wenn sie die Schwelle einer Moschee überschreiten. Das
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