Claudius Bombarnac
Samarkand folgt eine Decoration auf die andre …. Wahrhaftig, das überwältigt mich. Gewiß wird das Stück vor Mitternacht nicht zu Ende sein; da wir jedoch schon um acht Uhr weiter fahren, müssen wir auf den letzten Act verzichten. Da ich darauf bestand – und wär’ es auch nur um der Ehre der Berichterstattung willen – nicht nach Samarkand gekommen zu sein, ohne das Grab Tamerlan’s gesehen zu haben, kehrte die Arba nach Südwesten hin um und hielt vor der Moschee Gur-Emirs, die neben der russischen Stadt liegt. Doch welch’ schmutziges Quartier, welch’ Gewirr von Häusern aus Lehm und Stroh, welchen Haufen elender Hütten haben wir da im Vorbeifahren zu sehen bekommen!
Die Moschee hat ein großartiges Aussehen; sie ist mit ihren Kuppeln, an denen das schöne Blau des Türkises vorherrscht, wie mit einer Persermütze bedeckt, und ihr einziges, jetzt seines oberen Theiles beraubtes Minaret glänzt von Emailarabesken, die ihre frühere Reinheit bewahrt haben.
Wir haben den Hauptraum unter der Kuppel besucht. Hier erhebt sich das Grab des »Hinkenden aus Eisen«, so nennt man Tamerlan, den Eroberer. Von vier Gräbern seiner Söhne und seines Schutzheiligen umgeben, bleichen die Gebeine Tamerlan’s unter einem Stein aus schwarzem Nephrit, der mit Inschriften verziert ist, die irdischen Ueberreste des Mannes, dessen Name die ganze asiatische Geschichte des vierzehnten Jahrhunderts in sich vereinigt. Die Wände des Raumes sind ebenfalls mit Nephrit mit unzähligen verschlungenen Adern bekleidet, und eine im Südwesten errichtete Säule zeigt die Richtung, in der Mekka liegt. Frau von Ujfalvy-Bourdon hat diesen Theil der Moschee Gur-Emirs ganz treffend mit einem Heiligthum verglichen, und diesen Eindruck hat es auf uns auch gemacht. Derselbe Einfluß machte sich noch in erhöhtem Maße geltend, als wir die Treppe nach der Krypte hinabstiegen, die die Gräber der Frauen und Töchter Tamerlan’s enthält.
»Und dieser Tamerlan, fragt Herr Caterna, dieser Tamerlan, von dem so viel gesprochen wird …
– Dieser Tamerlan, fällt der Major Noltitz ein, war einer der größten Eroberer der Welt, sogar der größte, wenn man die Größe nach der Ausdehnung seiner Eroberungen mißt. Ganz Asien östlich vom Caspisee, Persien und die Länder nördlich seiner Grenze, Rußland bis zum Asow’schen Meer, Indien, Syrien, Kleinasien und endlich China, das er mit zweimalhunderttausend Kriegern überfiel – kurz, es war ein ganzer großer Erdtheil, den er als Schauplatz seiner Kriege hatte.
– Und dabei hinkte er! … bemerkte Frau Caterna.
– Ja, Madame, wie Genserich, wie Shakespeare, wie Byron, Walter Scott und wie Talleyrand, was ihn doch nicht gehindert hat, eine große Bahn zu durchlaufen. Aber fanatisch und blutgierig war er! Die Geschichte erzählt, daß er in Delhi hunderttausend Gefangene hinrichten und in Bagdad einen Obelisk aus achtzigtausend Köpfen errichten ließ.
– Da ziehe ich mir doch den Obelisk auf dem Eintrachtsplatze in Paris vor, antwortete Herr Caterna, und dann ist dieser auch aus einem einzigen Stück.«
Trotz dieser Bemerkungen des Caterna’schen Ehepaars fühlte ich mich selbst von der Localstimmung, die die Wunderwerke Samarkands erregen, bis ins Innerste erfüllt, als ich plötzlich zur modernsten Realität zurückgeführt wurde.
In den Straßen, ja, in den Nachbarstraßen des Bahnhofs, mitten in der Hauptstadt Tamerlan’s, sehe ich zwei Gestalten vorübersausen, die auf – Bicycles sitzen.
»Ah! ruft Herr Caterna. Herren auf Fahrrädern!«
Und diese Herren sind in Turkestan zu Hause!
Nach diesem Anblick ist nichts weiter zu thun, als eine Stadt zu verlassen, die so weit durch die Meisterwerke mechanischer Selbstbeförderung entehrt ist, und das that denn auch unser Zug um acht Uhr Abends.
Dreizehntes Capitel.
Eine Stunde nach der Abfahrt haben wir gespeist. Im Innern des Restaurationswagens zeigen sich einige neue Reisegefährten … unter andern zwei Neger, die Herr Caterna gern »düstere Menschen« nennt.
Keiner dieser Reisenden, hat mir Popof mitgetheilt, wird die russisch-chinesische Grenze überschreiten, sie interessiren mich also nur sehr wenig oder gar nicht.
Während der Tafel, der alle meine Nummern beiwohnen – ich habe deren zwölf und denke damit auch nicht weiter zu gehen – bemerke ich, daß der Major Noltitz den Seigneur Farusklar unablässig beobachtet. Schöpft er Verdacht gegen den Herrn? Legt er vielleicht dem Umstand Wichtigkeit bei, daß der
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