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Claustria (German Edition)

Claustria (German Edition)

Titel: Claustria (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Régis Jauffret
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verjagt, wo früher die hässlichen, mittellosen Mädchen wie Mauerblümchen gesessen und zugesehen hatten, wie sich schöne Frauen und Prinzessinnen im Reigen gedreht hatten.
    Aus der Tasche seiner Joppe zog er ein Heftchen, in das er sich am Abend während der Chemie-Vorlesung Notizen gemacht hatte. Erschöpft schlief er vollständig angekleidet ein, schlief den Schlaf der Gerechten mitten im Lärm der anderen, die betrunken nach Hause kamen. Verzückt erwachte er noch vor Tagesanbruch, ganz beglückt, endlich die wahren Sinnenfreuden erlebt zu haben. Vergewaltigung schien ihm die wollüstigste Art der Liebe zu sein.
    Gleich nach dem Krieg hatten die Frauen von Amstetten sich angewöhnt, sich ohne zu schreien von den sowjetischen Soldaten vergewaltigen zu lassen. Eines Tages beschloss die Generalität, wieder das herzustellen, was ein General in einer Rundfunkrede die „marxistische Ritterlichkeit“ genannt hatte. Um ein Exempel zu statuieren, wurden ein Dutzend Schuldige erschossen. Ihre Leichen kamen auf den Friedhof, wo die Befreiungsarmee ihre Helden begrub. Ihre Namen stehen noch immer auf dem Denkmal für die Gefallenen in Amstetten.
    Als Fritzl mit dreizehn Jahren dabei gewesen war, als eine Kompanie Infanteristen eine Gruppe junger Mädchen vergewaltigt hatte, hatte er die Sexualität entdeckt. Seit der Hochzeitsnacht wusste Anneliese, dass die ehelichen Pflichten brutal waren. Liebkosungen hatte ihr Gatte schon immer so widernatürlich gefunden wie einen Mann, der Röcke, Zopf oder Pferdeschwanz trägt.
    Es war schönes Wetter, es war Sonntag. Um sein neues Leben zu feiern, hatte er sich Würstchen und ein Glas Bier in einem Braugasthof gegönnt, dann hatte er den Tag über Frauen beobachtet, die auf den Straßen oder in den Parks spazieren gingen. Sie defilierten vor ihm, damit er sie sich aussuchen konnte. Linz war wie ein großes Bordell, in dem er sich nach Einbruch der Nacht bedienen könnte und nicht einmal dafür bezahlen müsste.
    Mehrere Monate lang begnügte er sich mit Fantasien. Die neue Macht, die er seiner Ansicht nach innehatte, genügte ihm, um seine Einsamkeit lebenswert zu machen. Er hätte sich gern jemandem anvertraut, um Bewunderung zu ernten, die er ja verdient hatte. Aber seine entfernten Kumpel hatte er in Amstetten gelassen, außerdem hätte er aus Angst, angezeigt zu werden, sein Bekenntnis in letzter Minute hinuntergeschluckt.
    An einem verschneiten Novemberabend ging er in den Bauernbergpark. Er lief über einen breiten Weg, dann bog er mehrmals ab und blickte über seine Schulter, als fürchtete er, beschattet zu werden. Er versteckte sich hinter einem Baum und wartete. Von Weitem sah er eine Frau mit angstvoll abgehackten Schritten kommen. Langsam holte er seinen Penis aus der Hose, der sich immer mehr aufrichtete, je näher die Frau kam.
    Sie lief immer schneller, um dieser Gestalt zu bedeuten, dass sie keine Lust hatte, angesprochen zu werden. Als sie auf seiner Höhe war, sah sie das steife Glied unter den Schneeflocken und ergriff schreiend die Flucht, doch der verlassene Park reagierte nicht.
    In der folgenden Woche nutzte er eine Leiter, die ein Maurer vor einem Haus mit Baustelle hatte stehen lassen, und kletterte in den ersten Stock, um eine Frau zu überraschen, die er kurz vorher aus dem Schatten eines Hauseingangs auf der anderen Straßenseite beobachtet hatte. Trotz Kälte schlief sie bei offenem Fenster unter einem Haufen Decken und Daunenbetten. Bevor Fritzl das Schlafzimmer betrat, nahm er zur Vorsicht ein großes Messer mit, das neben dem Herd hing.
    Kaum hatte die Frau das Messer an der Kehle, fing sie an zu brüllen. Das Geschrei drang ihm in die Ohren wie himmlische Musik. In der ersten Zeit ihrer Gefangenschaft würde Angelika bei jeder Vergewaltigung genauso schreien, diese wundervolle Erinnerung würde immer in ihm lebendig bleiben und ihn an deprimierenden Abenden in seiner Gefängniszelle trösten.
    Während er in Ekstase war, brachen Nachbarn die Tür auf. Er wurde geschlagen, mit einem Lampenkabel gefesselt und entging der Verstümmelung durch die Hand einer rasenden Frau, die ihn mit dem Messer seiner Schandtat bedrohte, nur dank der Intervention zweier Polizisten, die heraufgeeilt waren, nachdem sie bei ihrer Runde zufällig in dem Moment in diese Straße gekommen waren.

Ein schneller Prozess. Beginn der Haftstrafe in einer Dunkelzelle, deren vergittertes Oberlicht selbst bei Sonne kaum Licht durchließ. Abende in Dunkelheit, schwarze Nächte. An

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