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Claustria (German Edition)

Claustria (German Edition)

Titel: Claustria (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Régis Jauffret
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katzbuckelten.
    Ingenieur zu werden war sein Traum. In der Lehranstalt war er fleißig und lernte bis spät in die Nacht im Licht einer Taschenlampe im barocken Schlafsaal, wo er zusammen mit Kommilitonen wohnte.
    Nach den Kursen gönnte er sich eine Stunde Freizeit. Er sah oft auf die Uhr, um die Abendstunden, die er dem Lernen vorbehalten hatte, nicht zu verkürzen. Auf einem dieser grüngrauen Fahrräder, die die Polizei nach dem Krieg verramscht hatte, streifte er durch die Stadt. Er war auf der Suche nach einem erleuchteten Fenster.
    Er wollte alleinstehende Frauen beobachten, die so unklug waren, sich bei offenen Fensterläden auszuziehen. Meist kehrte er unverrichteter Dinge zurück, manchmal jedoch war ihm das Glück hold. Er drückte sich an die Mauer, nur seine Augen und sein pomadisiertes Haar waren zu sehen. Er traute sich nicht, sich die Nase an der Scheibe platt zu drücken wie ein Schlemmer am erleuchteten Schaufenster einer Konditorei, das mit Kuchen aufwartete. Er rieb sich und ging, nachdem das Sperma an die Mauer gespritzt war wie die Pisse eines Hundes, der das Bein hebt.
    Eines warmen Septembertages blieb Fritzl vor einem neuen Haus in einer kleinen Querstraße der Linzer Landstraße stehen. Die letzten Geschäfte hatten soeben ihre Rollgitter heruntergelassen. Er konnte sich gerade noch ducken, als eine junge Frau beide Fensterflügel öffnete, das Licht löschte und zu Bett ging.
    Ein Häufchen Mann, Beine und Arme angewinkelt, mit Angst im Bauch, rasendem Herzen, schweißgebadet. Die Feigheit von Männern, die Frauen schlagen und vergewaltigen. Gewiegt vom beruhigenden Verkehrslärm von der Hauptstraße wurde sein Puls nach und nach langsamer. Er kam wieder zu Atem wie nach einem Wettrennen, richtete sich auf, hob den Kopf, reckte den Hals und lauerte.
    Die Straßenlaternen warfen ihren Schein in das Schlafzimmer. Er konnte das Bett sehen, in dem die Frau allein schlief. Es tauchte auch nicht die gefürchtete Silhouette eines Mannes auf, der aus der Toilette käme und sich zu ihr legte – Fritzl konnte hinten an der Wand die offene Tür erkennen, hinter der es dunkel war.
    Vorsichtig stieg er ein – mit kleinen, leichten Schritten trotz seiner Furcht und seiner schweren Schuhe. Die Frau drehte sich in die Laken gewickelt um. Plötzlich erstarrte er, stand reglos da mit weiten, funkelnden Augen wie ein ausgestopftes Tier. Er war ihr so nah, dass er ihren regelmäßigen Atem hören konnte, den gemächlichen, tiefen Atem traumlosen Schlafs.
    Fünf Minuten später musste er sich beherrschen, nicht zu rennen. Er hörte sie schreien, in den Wohnungen an der Straße gingen die Lichter an. Er machte große Schritte wie ein Marathonläufer. An der Kreuzung fuhr gerade ein Bus ab, er konnte noch auf die Plattform aufspringen. Der Schaffner zuckte nur die Achseln.
    Er hielt sich am Geländer fest und träumte die ganze Fahrt über. Das Glück, mit einunddreißig Jahren das Gefühl zu haben, ein zweites Mal entjungfert worden zu sein. Die wohlige Erinnerung an die Frau, die schreckstarr im Bett liegt. Verkrampfte Beine, die er aufstemmt und die sich öffnen wie die Ränder einer Wunde, auf deren Grund er nicht blicken kann. Ihr Schoß, in den er mit einem einzigen Lendenstoß eindringt. Sofort der Orgasmus. Er spritzt in seine Beute. Dann kommt die Angst wieder, er bäumt sich auf, weicht zurück, stößt an eine Vase, die lautlos auf den Läufer auf einer Kommode fällt. Die Frau schreit bereits.
    Er springt aus dem Fenster, fällt, liegt auf dem Gehweg. Ein Schmerz im rechten Knie, der bis zu seinem Tod bei Regen wieder erwachen wird. Er muss sich zwingen, nicht die Beine in die Hand zu nehmen. Er erinnerte sich an die Besatzung Amstettens durch die Rote Armee. Die Soldaten schossen sofort auf rennende Leute, selbst auf Unschuldige, die es eilig hatten, vor der Ausgangssperre nach Hause zu kommen.
    Er wohnte in der Villa einer Kriegerwitwe, der Frau eines Generals der k. u. k. Armee, der 1914 im Krieg gefallen war. Zusammen mit etwa dreißig Mitbewohnern hauste er im ehemaligen Ballsaal, der seit 1942 keinen Walzer mehr gehört hatte. Eine dreckige Stube, wer Glück hatte, schlief in alten Himmelbetten mit durchgelegenen Matratzen und zerschlissenen Vorhängen, aber aus Goldschnitzerei, die noch immer in der Sonne glänzte.
    Als er ankam, legte er sich auf ein großes Damastpolster aus vor Dreck strotzender, ausgefranster Seide, das auf dem nackten Boden lag. Die Witwe hatte ihn von einer Fensterbank

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