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Claustria (German Edition)

Claustria (German Edition)

Titel: Claustria (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Régis Jauffret
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denen man versuchte, nachzudenken, zu überlegen, sich das Chaos zu erklären, die Fundamente der neuen Ära zu legen, die sie erschaffen würden, während Roman erneut das Gejammer seiner Schwester hörte, zu ihr ging und versuchte, ihr mit dem Strohhalm ein wenig kalten Tee in den Mund zu träufeln, bevor er sich neben sie legte und sich ganz klein machte, damit er ihr nicht auf den Oberkörper drückte oder aus dem Bett fiel.
    Martin wurde zum Schreiber. Mit einem Filzstift zeichnete er Gedankenphantome. Angelika hörte nicht auf, seine Entdeckungen reinzuzeichnen, und wollte sich partout nicht eingestehen, dass aus dem Gehirn des Hausherrn unentzifferbarer Unsinn kam.
    Angelika spielte die Rolle einer Moderatorin des Absurden. Solange sie keine Möglichkeit hätte, die Schatullen ihres Landes wieder aufzufüllen, wollte sie unbedingt den Bankrott infolge unüberlegter Ausgaben verhindern.
    In der ersten Zeit würden sie sich mit bescheidenen Saaten begnügen – Kartoffeln, Hülsenfrüchte, mit denen der Keller unabhängig wäre, sollte der Vater fernbleiben. Ein Knotenseil würde als Ausrüstung der Turnhalle dienen, und sie würde mit Fritzl über den Kauf einer Schaukel verhandeln, indem sie ihm bewies, dass sie mit ihren Pflanzungen ausreichend Geld sparten, um ihm nicht auf der Tasche zu liegen.
    Mit Händen und Augen wichen die Wände nicht zurück. Bauarbeiten würden Staub und Lärm verursachen, ein Erdrutsch, bei dem alle in einer Erd- und Kieslawine ersticken würden, wäre nicht ausgeschlossen.
    Es gab unzählige Reportagen über Familien, die in noch beengteren Verhältnissen als ihrem Keller lebten. Um ihn geräumiger zu gestalten, müsste man die Unordnung lediglich noch radikaler bekämpfen. Jeden Morgen würde man die Bettfüße abschrauben, damit man die Betten tagsüber an die Wand stellen könnte. Mühelos würde man ein paar Quadratmeter gewinnen, und die Wände würden entfernter wirken. Angelika hatte vergessen, dass die Bettfüße angeschweißt waren.
    Sie schloss nicht aus, dass sie eines Tages autark werden könnten. Durch Handel überwand ein Land nach und nach seine Unterentwicklung, öffnete sich der Welt und verwandelte eine Brache in einen reichen, prosperierenden Landstrich.
    ,,Geduld, Martin!“
    Aber er war schon auf der Seite zusammengerollt unter dem Tisch eingeschlafen.
    Sie nahm sich die Zeit, alle seine Aufzeichnungen und ihre Heftseiten zu verbrennen. Sie wäre fast erstickt in dem verqualmten Keller. Dann trank sie eine halbe Flasche Hustensaft und legte sich völlig trunken ins Bett.
    Fünfzehn Stunden später wachte sie wieder auf.
    Petra hatte Roman mehrmals geweckt. Ein leiser Aufschrei, wenn sie das Bett vollmachte. Roman ging in die Kammer, holte Tücher und stopfte sie in die Jogginghose, die ihr als Schlafanzug diente. Er rieb ihr schweißüberzogenes Gesicht mit einem feuchten Tuch ab. Er erhitzte Milch, kochte Kakao, und es gelang ihm, ihre Zunge damit zu benetzen, die mit einem trockenen, weißen Belag überzogen war.
    Martin hatte sich gerade zum Kaiser gesalbt – bäuchlings auf dem höchsten Regalbrett in der Speisekammer, von wo er Romans Kommen und Gehen beobachtet hatte, ohne das Wort an so eine Bazille zu richten. Ein kurzes, aber prunkvolles Zeremoniell in seinem Kopf, im Ehrensaal eines Palastes, bewacht von Panzern einer Armee, die man aufstellen musste, um die Angriffe der zerlumpten Horden zurückzuschlagen, die versuchten, selbst durch die winzigste Öffnung in der Unendlichkeit des Himmels über dem Keller, der endlich seinem Puppenstadium entschlüpft und zum Glockenspiel geworden war, in sein blühendes Reich einzudringen.
    ,,Glockenspiel.“
    Mit diesem Begriff wollte er das neue Sonnensystem bezeichnen, über das er künftig herrschen würde.
    Seine Mutter rief ihn von unten. Eine zweitrangige Person, höchstens Unterleutnant. Aber sie ging auch schon weiter. Er hörte, wie sie duschte.
    Martin sah, wie die Luke aufging. Der Vater hatte zwei Taschen mit Lebensmitteln in der Hand.
    ,,Was tust du da?“
    Martin spuckte ihn an, weil er dachte, dieser alte Lümmel sei empfänglich für dieses Geschenk des Monarchen. Der Vater stellte seine Last ab, packte den Sohn und schlug ihn windelweich. Das Reich ging in einem Blutbad unter. Es hinterließ keine Spuren, und niemand erinnerte sich daran, dass es je existiert hatte.
    Martin behielt davon eine Schramme an der Stirn.

Das Leben nahm wieder seinen Lauf. Petra litt still. In ihrer Entkräftung

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