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Claustria (German Edition)

Claustria (German Edition)

Titel: Claustria (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Régis Jauffret
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Heizungskeller.
    „Kurz vor der Verhandlung haben wir das Gericht angeschrieben und angezeigt, dass wir keine Vorladung erhalten hatten.“
    „Wir dachten, sie wäre bei der Post verloren gegangen.“
    „Wir bekamen zur Antwort, dass man uns nichts geschickt habe und auf unsere Aussage verzichten würde.“
    „Bei der Verhandlung wurde auf unseren Bericht nicht Bezug genommen.“
    „Die Polizei hat ihn für sich behalten, kein Journalist hat ihn je erwähnt.“
    „Haben Sie nicht versucht, selbst Kontakt zur Presse aufzunehmen?“
    Verdutzt sahen sie einander an.
    „Aber wir hatten doch gar keine Zeit, mit diesen Leuten zu reden.“
    Zuerst wollten sie mich nicht treffen.
    „Wir sind mit Arbeit überlastet, wir haben nicht einmal einen freien Nachmittag in der Woche, um etwas mit unseren Kindern zu unternehmen.“
    Nina hatte eine Idee.
    „Monsieur Jauffret lädt Sie zum Mittagessen ein.“
    Darauf ließen sie sich ein.
    Kaum saß der Mann, zog er einen Laptop aus seiner Aktentasche. Er zeigte uns Fotos. Ansichten aller Räume und der Küchenzeile, wo ein riesiger Rowenta -Mixer thronte.
    „Über hundert Dezibel.“
    Die Frau berichtigte:
    „Hundertvier, wenn er voll aufgedreht ist.“
    Da stand auch eine Waschmaschine.
    „Waschmaschinen sind doch auch laut, oder?“
    „Fünfundachtzig Dezibel beim Schleudern.“
    In Angelikas Zimmer ein Fernsehapparat von Telefunken .
    „Vielleicht haben sie in Zimmerlautstärke ferngesehen.“
    „Selbst wenn man die Lautstärke nicht aufdreht, musste man es nachts bis zum Dachboden hinauf hören.“
    Der Mann deutete auf ein Foto, das er gerade angeklickt hatte.
    „Sehen Sie.“
    Man sieht ihn heiter in Angelikas Zimmer lächeln.
    „Ich stoße mit dem Kopf an die Decke.“
    „Wie groß sind Sie?“
    „Einen Meter neunundsiebzig.“
    Er klickte ein anderes Bild an – seine Frau vor den Kochplatten.
    „Ich bin eins siebenundsechzig.“
    „Die Küche ist einen Meter siebzig hoch.“
    „War der Keller nur teilweise schalldicht?“
    Sie lächelten.
    „Der Keller war nicht abgedichtet.“
    „Bei Regen tropfte es in die Zimmer. Luft kam nur durch die Ritzen zwischen den Plastiklatten an der Decke. Geräusche sind wie der Wind, sie stehlen sich durch jede Öffnung.“
    „Wir haben Tests gemacht – man hört alle Geräusche aus dem Keller.“
    Sie hatten ein Lied abgespielt. Noch im Erdgeschoss konnte seine Frau jedes Wort verstehen.
    „Dabei hatte ich das Lied vorher noch nie gehört.“
    „Haben Sie geprüft, ob man es im ersten Stock auch gehört hat?“
    „Die Polizei hat es uns untersagt.“
    „Und von der Straße?“
    „Das wollten sie auch nicht.“
    Die Frau hob die Arme.
    „Alle Pläne der Kellerwohnung, die die Medien veröffentlicht haben, sind falsch. Der Keller liegt nicht unter dem Garten, sondern direkt auf dem Grundriss des Hauses und unter einem kleinen Innenhof aus gestampfter Erde, die bei Regen in die Räume rieselte.“
    Sie hatten die Möglichkeit, die Pläne einzusehen, die ein Topograf am selben Morgen gezeichnet hatte.
    „Ein teuflischer Ort. Wenn man unten ist, meint man, man komme direkt zur Garage. Selbst die Polizisten haben widersprochen, als sie den Plan gesehen haben.“
    „Er hat ihnen nicht in den Kram gepasst. Wie soll man unter diesen Umständen denn glauben, dass keiner etwas gehört hat? Sie haben von dem Topografen verlangt, den Plan auszuradieren und einen neuen zu erstellen.“
    „Im Übrigen haben unsere Analysen der Polizei auch nicht sonderlich gepasst. Seitdem ruft man uns bei einem Verbrechen nicht mehr an.“
    Ich bat Nina, sie nach den Kontaktdaten des Topografen zu fragen.
    „Den kennen wir nicht.“
    Sie kannten nicht einmal seinen Namen und sind ihm danach auch nicht wieder begegnet. Wir hatten keine Ahnung, wie wir ihn finden sollten. Die Polizisten, mit denen wir gesprochen haben, konnten sich weder an ihn noch an seine lästige Kartografierung des Ortes erinnern.
    Schnell verschlangen die beiden ihre Himbeeren mit Schlagobers. Ich wollte sie noch zu einem Kaffee einladen.
    „Nein danke.“
    „Wir sind schon spät dran.“
    „Um drei Uhr haben wir einen Termin.“
    „Wegen knisternder Neonleuchten.“
    Der Mann steckte den Laptop wieder ein. Ich verabschiedete mich auf Deutsch von ihnen – mit einem ganz einfachen Wort, an das ich mich heute aber nicht mehr erinnere. Sie sprachen noch kurz mit Nina, dann holten sie ihr Auto aus dem Parkhaus.
    „Ich habe ihm meine E-Mail-Adresse gegeben, er will

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