Claw Trilogy 01 - Fenrir
Mädchen drehte sich zu Jehan herum. Sie hasste ihn, das sah er, aber er brachte es nicht über sich, ihr zu sagen, dass sie gehen sollte. Er erinnerte sich an das Wasserbecken, an die toten Männer und Knaben, an den Raben. Allmählich setzten seine Gedanken wieder ein wie eine Stimme, die weit unten aus einem Tal heraufhallte.
Ofaeti stieß ihn in die Richtung des Wärmeraums. Die Tür stand offen, die Körper ergossen sich nach draußen wie eine grässliche Zunge aus einem schwarzen Maul. Einige waren nackt, einige halb bekleidet. Die Berserker durchsuchten sie immer noch. Jeder Lebende war mit Beuteln und Säcken ausgerüstet, in denen so viel Gold steckte, wie er nur tragen konnte. Den Sitz mit der Reliquie hatten sie zerschmettert, die goldenen Beschläge und Edelsteine herausgerissen. Astarth trug die schönen Seidengewänder eines Priesters, während Egil den goldenen Hirtenstab hatte, der bei der Messe benutzt wurde.
Jehan spürte eine Regung in sich, den kalten Schatten eines Zorns, den er früher genauer hätte benennen können. Jetzt war er sich selbst fremd geworden. Die Kraft, die ihn auf der Reise nach Saint-Maurice durchflutet hatte, war verschwunden, und nun war er erstarrt und konnte kaum noch denken. Wenn er sich nicht sehr stark auf das konzentrierte, was direkt vor ihm und um ihn war – die Steine des Hofs unter den Füßen, die Stimmen der Wikinger – , dann konnte jederzeit eine andere Realität durchbrechen und diese hier verschlingen.
»Sogar für dich sind noch ein paar gute Sachen übrig, Mann Christi«, verkündete Egil.
»He, ich bin auch ein Mann Christi«, warnte Ofaeti ihn. »Seit einem halben Tag bete ich ihn an, und schon bekommen wir all diese Sachen. Nimm meinen Rat an und richte ein Gebet an ihn. Du wirst es nicht bereuen.«
Ofaeti warf Jehan einen guten Mantel zu, der mit Pelz ausgekleidet war. Der Beichtvater schnüffelte daran. Fuchs. Der Pelz roch, als wäre er noch nie gewaschen worden. Angst sickerte aus ihm heraus, er konnte die Furcht der Tiere spüren, die gefangen und getötet worden waren, konnte sogar Rüden und Fähen und Jung von Alt unterscheiden. Er legte den Mantel an.
»He, was ist nur los mit dir?«, wollte Ofaeti wissen. »Du musst dich doch abtrocknen.«
»Ich nehme an, der Rabe hat ihn angegriffen«, meinte Egil. »Schau dir nur die Zähne an.«
Ofaeti spähte in den Mund des Beichtvaters. »Er blutet«, sagte er.
»Mir scheint, wenn ein Mann einen Schnitt im Mund abbekommt, aber sonst keinerlei andere Wunden hat, dann ist etwas sehr Seltsames passiert«, überlegte Egil. »Und wer ist der König der seltsamen Dinge? Das ist der Rabe.«
»Geht es dir nicht gut?« Ofaeti legte dem Mönch eine Hand auf die Schulter und sah ihm in die Augen. Dann schüttelte er den Kopf. »Du hast wohl recht, Egil. Irgendeine Hexerei. Aber er hat mir das Leben gerettet, also rette ich seins. Hilf mir mal, ihn umzuziehen.«
Ofaeti und Egil befreiten Jehan von den nassen Kleidern. Der Mönch sträubte sich nicht. Dann gaben sie ihm die Sachen der Krieger aus Grettirs Truppe – zwei Hemden, zwei Paar Hosen, ein Paar schöne Stiefel und zwei Mäntel. Dabei sah Jehan sich selbst, wie er gewesen war – krank, verkrüppelt und verwachsen. Die Mönche hatten ihn angekleidet und gewaschen. Seit seiner Kindheit hatten stets andere für ihn gesorgt. Eine seltsame Vertrautheit ergriff von ihm Besitz. Vertraute Dinge in vertrauter Umgebung.
Ofaeti band Jehan eine Mütze aus Biberfell auf den Kopf und drückte ihm den Stab mit dem Kreuz in die Hand. Jehan ließ ihn fallen und blickte ihm ohne Interesse oder Beunruhigung hinterher.
»Na gut, dann nehme ich ihn. Wir brauchen ihn, bis wir unsere Heimat erreichen«, erklärte Ofaeti. »Du bist ein kluger Mann, Mönch, da dir diese Idee gekommen ist.« Wieder starrte er Jehan an und sah keine Antwort. »Oder du warst es. Du bibberst, das ist ein gutes Zeichen. Das passiert oft, wenn man sich wieder aufwärmt.«
Die Wikinger hatten die erbeuteten Pferde fast beladen. Viele Krieger trugen jetzt drei oder vier Mäntel, Pelzmützen und sogar Handschuhe.
»Eins muss man Grettir lassen«, erklärte Astarth. »Er war ein guter König, er hat viel verschenkt. Schau dir nur diese schönen Sachen an.«
»Als er aus dem Norden kam, um bei der Belagerung zu helfen, hat er einen Händler überfallen«, sagte Ofaeti. »Dank Tyr und Christus und Jesus war es auch für uns ein schöner Beutezug.«
»Christus ist Jesus, genau wie Odin Grimnir
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