Claw Trilogy 01 - Fenrir
ist. Es ist eine Verkleidung«, berichtigte ihn Fastarr.
»Alle Götter mögen Verkleidungen«, stimmte Ofaeti zu. »Damit sie ihre Anhänger besser im Auge behalten können.«
Die Küche war bereits geplündert, aber das Essen im Wärmeraum war noch da. Die Berserker hatten den Schaum vor den Mündern der Toten bemerkt und angenommen, sie seien vergiftet worden, daher schnüffelten sie ausgiebig an dem Brot, am geräucherten Fleisch und den Dörrfrüchten und untersuchten alles genau. Als sie aufluden, war Egil immer noch nicht fertig damit.
»Ich habe eine Idee«, sagte Astarth. »Wir lassen den Mönch zuerst davon essen.«
»Das ist ein guter Plan«, pflichtete Varn ihm bei. »Sollen wir ihm sofort etwas geben?«
»Von mir bekommt er nichts ab«, widersprach Egil.
»Auch nicht von deinem vergifteten Fleisch?«, fragte Astarth.
»Es ist immer noch meins«, sagte Egil.
»Ich würde sagen, so wie er aussieht, hat er schon etwas davon gegessen. Er ist nicht gerade gesund.«
Jehan blickte in die Runde. Das Licht war seltsam. Es kam ihm jetzt stärker vor, die Farben waren lebhafter. Der Schnee war nicht mehr rein weiß, sondern ein feiner, kaum wahrnehmbarer Glanz lag darüber. Winzige grüne, rote und braune Funken leuchteten auf, als das schwache Tageslicht in den Schneekristallen brach. Auch auf den Mauern des Klosters zeigten sich fließende Farben, die ihrerseits wieder Gerüche mitbrachten: Die Wikinger rochen nach Pflanzen, die er aus den Wäldern um Paris kannte, dann die Ausscheidungen der Tiere und Menschen, gefrorenes Moos und Schimmel, das vom Rost angefressene Eisen eines in den Stein eingebetteten Rings, der zum Anbinden von Pferden diente, das nasse Holz in dem Trog daneben, der süße Fäulnisgeruch im Atem der Männer, der Totengestank, der ihren gestohlenen Sachen anhaftete und sich mit dem Schweiß und dem Dreck der lebenden Berserker mischte. Es war berauschend schön. Die Welt war auf wundervolle Weise befleckt. Nur das bleiche Mädchen an seiner Seite verströmte weder Geruch noch Schweiß, überhaupt nichts.
»Du solltest uns benetzen, Mönch, damit wir jeden Tag so viel Beute machen«, schlug Varn vor.
»Bei diesem Wetter kippt mir niemand Wasser über den Balg«, widersprach Egil.
»Wie macht ihr das eigentlich, wenn es kalt ist? Wisst ihr, die tunken ja sogar Säuglinge ein, und zwar in ihren eiskalten Kirchen mitten im Winter. Es wundert mich, dass dabei nicht die Hälfte von ihnen stirbt.«
»Damit sortieren sie die Starken aus«, überlegte Astarth laut. »Wenn das Kind schreit, setzen sie es in den Hügeln aus. Das ist wahr, weil es mir mein Onkel erzählt hat.«
Jehan dämmerte, dass sie über Gott redeten. Gott. Die Worte aus der Bibel flogen ihm nicht mehr so leicht zu wie früher. Er forschte nach einer Zeile, nach einem Gebet, um den Tumult in seinem Kopf zu beruhigen.
»Vater warum hast du mich verlassen?«
»Was?«, fragte Ofaeti.
»Er spricht im Fieberwahn«, meinte Egil. »Lass ihn in Ruhe.«
Ofaeti schüttelte den Kopf. »Zwischen uns und der Nordküste stehen zwanzig verschiedene Feinde, und bei der Hälfte von ihnen könnte er uns helfen. Bindet ihn auf ein Pferd und legt ihm einen weiteren Mantel über die Schultern. Wenn er sich nicht bewegt, wird er noch erfrieren. Kommt jetzt, wir haben aus der Höhe einen Fluss bemerkt, dem wir nach Norden folgen können. Wenn wir ein Boot kaufen oder klauen können, schaffen wir es. Ehe der Monat vorbei ist, werden wir in den Hallen der Horda die Nasen in die Bierkrüge stecken.«
Sie hoben Jehan hoch, wie es andere schon viele Male getan hatten, doch dieses Mal setzten ihn die Berserker in einen Sattel.
»Was hat er nur gegessen?« überlegte Varn.
»Steine, wenn man sieht, wie schwer er ist.«
»Du bist ein starker Mann, Mönch«, sagte Ofaeti. »Obwohl du Gift gegessen hast, möchte ich wetten, dass du in zwei Tagen wieder völlig wohlauf bist.«
Sie banden Jehans Hände lose an den Sattelknauf und die Füße an die Steigbügel, und dann brachen die Berserker auf und kehrten zu dem Pass zurück. Jehan blickte nach links. Das Mädchen mit den hasserfüllten Augen lief neben ihm. Er hatte das Gefühl, sie sei froh, dass sie in diese Richtung reisten.
»Wie heißt du?«, fragte er. Sie antwortete nicht, aber aus irgendeinem Grund kam ihm ein Name in den Sinn, der hundert weitere mit sich brachte. Sváva . Der Name half Jehan nicht weiter, auch über das Mädchen wusste er so gut wie nichts, er gewann keinen klaren
Weitere Kostenlose Bücher