Claw Trilogy 01 - Fenrir
hinein.«
»Sollen wir ihn nicht lieber gleich töten?«
Jehan spürte die Unsicherheit, die von der Frau ausging. Ihre frustrierten Gedanken summten ärgerlich wie Fliegen gegen das Fenster einer Kathedrale.
»Nein«, sagte sie. »Die Götter werden im Reich der Menschen ihrem Schicksal entgegengehen, aber sein Schicksal ist es nicht, durch eure Speere zu sterben.«
»Was ist es dann?«
»Er wird seinen Bruder töten«, erklärte Munin. »Und danach … « Sie suchte nach den richtigen Worten. »Danach wird der Totengott sein Schicksal erfüllen. Dies ist der ewige Weg und der Zweck, dem wir mit unseren Kräften dienen müssen.«
49
Ein Abschied
G iuki ging mit drei Kerzen in die kleine Kapelle. Es war ein kahler Raum mit einem Bild von Jesus am Kreuz, das hinter einem schlichten Altar an die Wand gemalt war. Der Raum war mehr oder weniger unberührt geblieben, weil es hier nichts zu stehlen gab.
Der Anführer der Piraten starrte Aelis an, dann trat er vor, schob ihr unvermittelt die Hand unter das Hemd und befühlte ihre Brust. Aelis wich zurück, doch er machte keine Anstalten, ihr zu folgen, sondern stand nur da und schüttelte den Kopf.
» Domina «, sagte er. »Eine Frau. Ich war lange auf einem Boot, Mädchen, genau wie alle meine Männer. Du bist heute Abend sehr willkommen.«
Aelis erwiderte sein Starren und antwortete in der romanischen Sprache: »Ich bin Aelis und stamme von Robert dem Tapferen ab, ich bin mit Helgi verlobt, werde von Feinden verfolgt und bin abgesehen von diesem Diener allein. Herzlichen Glückwunsch, Giuki, du hast eine wertvolle Beute gemacht. Wenn du mich unversehrt und als Jungfrau zu Helgi bringst, bist du ein reicher Mann. Sag ihm das, Leshii.«
»Du hast mich missverstanden, Herr. Das Mädchen ist meine Dienerin, nichts weiter.«
Aelis ergriff noch einmal das Wort, dieses Mal sprach sie stockend die norwegische Sprache. »Du hast falsch übersetzt, Händler.«
Leshii riss die Augen weit auf. »Ich dachte, ich hätte es im Hof nur geträumt«, sagte er. »Du sprichst tatsächlich die Sprache der Nordmänner.«
»Ja.«
»Und du hast es vor mir verheimlicht.«
Aelis wandte sich nun an Giuki. »Ich bin eine fränkische Edelfrau und mit Helgi dem Propheten verlobt. Bringe mich zu ihm, und du wirst eine Menge Gold bekommen.«
Giuki schwieg eine Weile und betrachtete sie im Kerzenschein. »Sage mir, domina , warum reist du mit abgeschnittenem Haar wie eine Dirne vom Land in Männerkleidung und trägst ein Schwert an der Hüfte? Warum stoßen Zauberer von den Dächern herab, um dich zu befreien? Du bist Christin. Warum helfen dir Männer, die unseren Gott anbeten?«
»Er ist Helgis Mann«, erklärte Aelis. »Er kam, um mich zu Helgi zu bringen. Man hat uns durch das ganze Land gehetzt. Meine Beschützer sind fort, deshalb verkleide ich mich. Als Frau allein bin ich hilflos. Als Krieger stehen meine Aussichten besser.«
»Bist du eine Kriegerin?«, fragte Giuki. »Ich habe von Schlachtjungfern gehört, aber noch nie eine gesehen.«
»Ich habe den König getötet, dem dieses Schwert gehörte«, sagte sie. »Siegfried der Däne starb durch meine Hand.«
»Er war ein mächtiger König.« Giuki schien jetzt sehr beunruhigt. »Ich sollte dich eine Lügnerin nennen. Keine Frau kann einen starken Krieger töten. Es ist unmöglich. Dennoch hast du das Gleiche am Strand mit Brodir getan. Das ist seltsam, sehr seltsam.«
Er stand eine Weile schweigend da.
Dann legte er die Hand auf das Abbild des Gekreuzigten und sprach: »Odin, Gott der Gehenkten, Gott der Könige, Gott des Irrsinns und der Magie, gib mir ein Zeichen. Sage mir, was ich tun soll. Du, der du in der Kälte des Mondes und unter den Nadelstichen der Sterne neun Tage und Nächte am Baum gehangen hast, aufgespießt vom Speer und gewürgt von der Schlinge, führe mich jetzt, und ich werde bei der nächsten Gelegenheit in die Schlacht ziehen. Neun Männer will ich für dich töten.«
Giuki ließ die Hand eine Weile auf der Wand liegen. Als er sich herumdrehte, war die Kerze ein ganzes Stück weiter abgebrannt.
»Es beliebt mir, dich jetzt zu ficken und dich ins Wasser zu werfen. Du hast Pech, Edelfrau. Du ziehst Wölfe an. Eine Frau kann keinen König töten, der kämpfen kann wie Siegfried. Dennoch glaube ich nicht, dass du lügst. Wie weit bist du mit diesem kleinen Affen als Begleiter unbelästigt und ohne ausgeraubt zu werden gereist?«
»Wir kommen aus Paris.«
»Dann musst du mächtige Beschützer haben.
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