Claw Trilogy 01 - Fenrir
wie diese bekam man nur selten zu fassen. Außerdem waren die Haare sogar sauber. Wie viel? , fragte er sich. Zehn Denier? Die Haare hatten mindestens den Gegenwert von zwei guten Schwertern.
Sie hatte verstanden, was er tun wollte, und sofort Einwände erhoben. »Die Bibel sagt, es sei ehrlos, wenn sich eine Frau die Haare abschneidet.«
»Und was ist, wenn eine Frau von Nordmännern vergewaltigt und ermordet wird? Dein Gott wird doch hoffentlich dem geringeren Übel den Vorzug geben.«
Aelis fügte sich der Vernunft und hielt still, während er arbeitete. Die Rasur zeichnete sich eher durch Eile als durch große Geschicklichkeit aus. Schließlich standen nur noch einige kleine Büschel auf dem Kopf. Der Händler hatte die abgeschnittenen Strähnen zusammen mit den Ringen der Dame sofort in einen Beutel gesteckt. Ebenso schnell hatte er eine weite Pluderhose und einen langen Kaftan hervorgeholt.
Unten am Hang bellte ein Hund, ein Stück weiter entfernt riefen einige Männer.
Aelis entledigte sich des noch immer klatschnassen Kleides und stopfte es in ein Gebüsch. Im Untergewand wollte sie sich den Kaftan überstreifen, doch der Händler hielt sie auf und gab ihr einen groben Rock, eigentlich war es nur ein Sack mit ein paar Löchern darin.
»Die nassen Sachen solltest du ausziehen«, warnte er. »Sie könnten Fragen aufwerfen.«
Aelis widerstrebte es sehr, sich vor diesem Mann zu entkleiden, und so wich sie ein paar Schritte in den Wald zurück. Dort zog sie die nassen Sachen aus und legte die neue Kleidung an, die nach Pferd und, noch schlimmer, nach Mann stank. Auf einmal spürte sie seine Hände auf sich.
»Ich will lieber sterben, als mich von dir nehmen zu lassen.«
»Du hast wahrlich eine Vorliebe für das Dramatische«, entgegnete der Händler. »Du bist jetzt ein Knabe. Also bedeckst du am besten gründlich die Sachen, an denen man dich als Frau erkennen könnte.« Dabei riss er die Augen weit auf, als amüsierte er sich über die eigene Frechheit. »Ich weiß ja, dass ihr Franken und Neustrier keine Ahnung von Knöpfen habt.«
Nacheinander schob er die zwölf Knöpfe, die sich vorn auf dem Kaftan befanden, durch die Ösen. Aelis war für die Hilfe dankbar, denn sie hätte große Schwierigkeiten gehabt, ein so fremdartiges Kleidungsstück selbst anzulegen. Schließlich setzte er ihr eine grobe Kappe auf den Kopf und schmierte ihr Dreck ins Gesicht. Nun erweckte sie den gewünschten Eindruck und sah aus wie ein junger Sklave, dem man als Zeichen der Unterwerfung die Haare gestutzt hatte.
»Du bist stumm«, wies er sie an, »und mein Diener. Deine Brüste sind so flach, dass man sie kaum bemerkt, aber es wäre trotzdem besser, wenn du die Arme verschränkst, sobald jemand anderer in der Nähe ist. Nur gut, dass du so dürr bist. Hättest du dicke Titten, dann könnten wir das Ganze vergessen.«
Aelis war nicht daran gewöhnt, dass Gemeine derart über sie redeten. Hätte er es bei Hofe getan, dann hätte er mit einer strengen Bestrafung rechnen müssen. Allerdings war ihr klar, dass sie kaum in der Lage war, große Einwände zu erheben.
»Noch etwas. Bleib hier und stelle dich schlafend. Lass es mich erledigen.«
»Kannst du sie überzeugen?«
Er betrachtete sie. Helgi begehrte diese Frau mehr als alle anderen, seit die Prophezeiung ihm verkündet hatte, dass ihre Schicksale verknüpft seien. Helgis Reich war jedoch noch nicht alt, und die Franken empfanden für ihn nichts als Verachtung. Man würde ihm nicht erlauben, diese Dame zu heiraten, und so hatte er sich entschlossen, sie zu rauben. Wenn Leshii sie zu dem Prinzen brachte, konnte er sich mit der Belohnung zur Ruhe zu setzen und den Rest seines Lebens in Müßiggang und Sicherheit verbringen.
»Ich habe mein Leben lang nichts anderes getan, als Menschen zu überzeugen«, entgegnete er. »Leg dich hin und warte.«
Aelis gehorchte, und Leshii kehrte an sein Lagerfeuer zurück. Schon kamen die Männer den Hügel herauf und riefen nach ihr.
»Komm doch her, Zuckerstück. Besser wir kriegen dich als der Rabe, glaube mir.«
»Du bist zu viel wert, deshalb tun wir dir auch nichts. Mach schon, du kannst dich bald an einem Feuer wärmen, wenn du dich zeigst.«
Der Hund bellte aufgeregt. Er kam als Erster, sprang ins Lager und schnüffelte gierig herum.
Leshii atmete tief durch. Er war daran gewöhnt, unter gefährlichen Bedingungen zu verhandeln und auf sich achtzugeben, wenn er in den weiten Ebenen im Osten, in Särkland, unterwegs war, wo
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