Claw Trilogy 01 - Fenrir
ihm die Wüstenbewohner Seide und Schwerter verkauften, die er nach Westen zu den großen Märkten in Dänemark und Schweden und sogar in den Süden nach Byzanz, zur Königin der Städte, beförderte. Diese Begegnung aber, so nahm er an, würde recht schwierig werden. Es waren mindestens sechs Krieger, deren Blut nach der Schlacht und der Hetzjagd in Wallung geraten war. Er dagegen hatte nur ein Messer, um seine Waren und die kostbarste Fracht von allen zu verteidigen – die Edelfrau, die ihn zu einem reichen Mann machen würde. Er beruhigte sich und benutzte die norwegische Sprache: hoch und klar und mit stärkerem Akzent, als es nötig gewesen wäre, um sich den Kämpfern als exotischer Besucher zu zeigen.
»Gegrüßt seien die Söhne meines guten Freundes Ongendus, der auch Angantyr genannt wird. Wie geht es dem edlen König der Dänen?«
»Du bist ein wenig spät damit, Fremder. Er ist schon zwanzig Jahre tot.« Die Männer waren klatschnass. Ihre Haut glänzte im Mondlicht ebenso hell wie die Speerspitzen. Der Hund, ein großes Tier mit glattem Fell, war vorübergehend mit Leshiis Mahlzeit beschäftigt und nagte einen Hammelknochen ab. Leshii dachte an seine Mutter. Sie hätte dem Hund den Knochen weggenommen und in einer Suppe ausgekocht, so klein er auch war. Er warf solche Reste lieber weg – nicht weil er reich war, sondern weil er eines Tages reich sein wollte. Verhalte dich wie ein reicher Mann, und du wirst eines Tages reich sein, hatte ein Araber ihm einmal gesagt. Das schien ein guter Rat zu sein, auch wenn seine Erfolge in dieser Hinsicht eher begrenzt zu nennen waren. Vielleicht lag in diesem Ausspruch am Ende doch nicht so viel Wahrheit wie vermutet. Die Schauspielerei hatte ihn allerdings nicht im Stich gelassen. Darin war Leshii so gut wie eh und je.
»Dann dürfte sein edler Sohn Siegfried herangewachsen sein und jetzt euch Dänen beherrschen. Er war ein starker und edler Bursche. Ich habe mit ihm gespielt, als er noch ein Kind war. Spricht er noch von mir? Sagt mir, dass er sich erinnert.«
»Unser Herr ist Siegfried, gewiss. Bist du sein Freund?«
»Ich war wie ein zweiter Vater für den Knaben. Ich bin Leshii, Händler aus Ladoga, das ihr Aldeigjuborg nennt. Ich bin ein Botschafter von Prinz Helgi dem Dänen, genannt Rus, dem Herrscher des Ostmeeres und der Ländereien von Nowgorod bis Kiew. Kommt und setzt euch an mein Lagerfeuer. Wir sind Verwandte. Ich habe hier Wein, wenn ihr mögt.«
»Ich bin Fastarr, Sohn des Hringr. Wir haben keine Zeit für Wein, Bruder«, erklärte einer der Männer. »Wir suchen ein Mädchen, das uns auf diesem Ufer entlaufen ist. Hast du sie gesehen?«
Der Händler schluckte. Es gefiel ihm, dass sie ihn »Bruder« nannten.
»Hier ist niemand außer mir«, erklärte Leshii. Die beiden vorderen Männer tuschelten miteinander, einer warf ihm einen misstrauischen Blick zu.
»Können wir nicht eine Pause machen und etwas Wein trinken?« Der Frager war klein und schmal, besaß aber ein rechtschaffenes Mördergesicht.
»Wir könnten die ganze Nacht herumlaufen, ohne sie zu finden. Lass doch dem Hund noch etwas Zeit, und wenn er nichts entdeckt, lassen wir es gut sein und trinken, was der Händler mitgebracht hat«, schlug ein anderer vor.
Leshii blickte nervös zu den Bündeln, in denen seine Flaschen steckten. Es war guter Wein, für den Handel bestimmt, und nicht dazu, von ein paar tumben Kriegern runtergekippt zu werden.
»Morgen ist auch noch Zeit dafür«, erwiderte Leshii. »Mein Bruder bringt genug mit, um uns alle zu ersäufen. Ich werde darauf achten, dass ihr die Ersten seid, die kosten dürfen. Wie Siegfried sich freuen wird, uns beide wieder an seiner Seite zu sehen.«
»Du hast keinen Leibwächter, Händler«, sagte Fastarr.
»Ich reise mit einem Magier, mit einem Gestaltwandler. Er passt auf mich auf, wenn es nötig ist. Unglaublich, aber ein Mann muss nur das Schwert gegen mich erheben, und schon ist es, als erschlügen ihn die Schatten selbst. Patsch! Schon ist der tot.«
Der Männer murmelten miteinander. Leshii schnappte ein Wort auf – Hrafn. Rabe.
»Bist du heute erst angekommen?«
»Ja.«
»Wir haben dich nicht im Lager gesehen.«
Leshii wurde klar, dass seine Geschichte sich in Wohlgefallen auflöste. Er hatte behauptet, Siegfried zu kennen, aber nicht gewusst, dass er der König der Dänen war. Jetzt fragten sich die Männer, warum er nicht längst das Lager aufgesucht und dem König seine Aufwartung gemacht hatte. Andererseits
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