Claw Trilogy 01 - Fenrir
Fragen.«
»Das ist schändlicher Unsinn«, erwiderte der Beichtvater.
»Vielleicht, vielleicht auch nicht«, erwiderte Siegfried. »Ich weiß genug über Prophezeiungen, um zu erkennen, dass diese hier wahr sein könnte. Warum sollen die Götter nicht erscheinen? Angeblich stamme ich von Odin ab. Vielleicht bin ich der Gott, vielleicht auch nicht. Ich weiß nur, dass unser Freund der Rabe mich als Gott proklamiert, wenn der Wolf auftaucht und ich ihn töte.«
»Es gibt nur einen Gott, den allmächtigen Herrn Jesus Christus, der ruhmreich zum Himmel aufgestiegen ist.«
»Nun«, sagte Siegfried, »das können wir doch leicht auf die Probe stellen. Du gibst mir eine Prophezeiung, wo ich das Mädchen finde, und ich schließe mich deinem Gott an. Natürlich muss ich es insgeheim tun, aber ich werde öffentlich konvertieren, sobald sich alle Heere und die Kriegsherren hinter mich gestellt und mir die Bündnistreue geschworen haben. Ehrlich, das will ich tun.«
»Prophezeiungen sind eine Gabe Gottes. Unter solchen Bedingungen wird er sie nicht gewähren.«
»Er muss.«
»Ich werde dir nicht helfen. Wende dich an deine heidnische Rabenfrau, wenn du eine Prophezeiung brauchst, auch wenn es dir nichts nützt.«
»Ich fürchte, sie ist im Augenblick nicht recht imstande dazu. Die Methoden, um eine solche Prophezeiung zu erhalten, sind … « Der König pochte nachdenklich auf irgendetwas. »Man könnte sagen, es ist ziemlich anstrengend.«
»Blicke nicht zu Christus, um deine Antworten zu finden. Er kennt für deinesgleichen nur eine Antwort, und das ist die ewige Verdammnis.«
»Wenn du mir nicht hilfst, musst du sterben.«
»Ich fürchte mich nicht vor dem Tod.«
»Das ist gut, denn du wirst ihm bald begegnen.«
Der Verwesungsgestank wurde übermächtig, und Jehan hörte, wie die Edelfrau erschrocken einatmete. Dann waren auf dem Reet leise Schritte zu hören.
»Heiliger«, sagte Siegfried, »dies ist der Rabe Hugin. Er hat seine Schwester fast umgebracht, um ihr Prophezeiungen zu entlocken, und er kann mit dir das Gleiche tun.«
11
Hrafn
D ie Augen des Wesens schienen Aelis zu durchbohren. Diese funkelnden schwarzen Edelsteine hatten sie auch auf dem Dachboden angestarrt. Sie zitterte und wich in die Schatten zurück. Hatte das Wesen sie erkannt? Es betrachtete den Priester. Hm, vielleicht nicht.
Als es ins Kerzenlicht trat, konnte sie es genauer betrachten. Es war ausgemergelt und trug einen Mantel aus schwarzen Federn. Die schwarzen Haare waren mit Teer verschmiert und standen nach allen Seiten hin ab, und die hineingesteckten Federn bildeten eine Art schwarze Krone. Das Gesicht, das sie nun zum ersten Mal deutlich sah, war von Narben verunstaltet. Winzige, aber tiefe Wunden waren angeschwollen und eiterten. Einige waren abgeheilt, aus anderen tropfte Blut. Das Wesen stank nach Leichen.
Der Mönch zuckte zusammen, als es sich dicht über sein Ohr beugte und die lateinische Sprache benutzte. »Der Prophet«, sagte es. »Bist du Jehan, den sie den Beichtvater nennen?«
»Ich will mit Teufeln nichts zu tun haben.«
»Ich bin kein Teufel. Du wirst für uns arbeiten, Prophet. Wenn du die Gabe hast, zeige ich es dir.«
»Wieso sprichst du unsere Sprache, Ungeheuer?«, entgegnete der Beichtvater.
Jehan zitterte vor Zorn und verfluchte sich nicht zum ersten Mal selbst, weil seine Feinde dies für Furcht halten konnten.
»Ich wurde eine Zeit lang als Mönch erzogen.«
»Dann hast du Christus den Rücken gekehrt.«
»Er hat mich in Saint-Maurice gefunden.« Der Mann fasste Jehans Faust und zog sie nach oben. »Und dort hat er mich weggeworfen.« Er drückte die Hand nach unten. »Bekehrungen können in beide Richtungen verlaufen, Beichtvater.«
Jehan schluckte schwer. Den Namen des Klosters kannte er. Saint-Maurice war ein Augustinerhaus im Osten, in den Bergen des Wallis. Es war ein bedeutendes Zentrum der Christenheit, berühmt für seine Schätze und Reliquien und den laus perennis, den ewigdauernden Lobgesang. Die Mönche hatten den Psalm vor fast vierhundert Jahren angestimmt und führten ihn seitdem ohne Unterbrechung schichtweise fort. Wie konnte diesem Ort ein solches Ungeheuer entspringen?
»Woher kennst du mich?«
»Ich habe von dir gehört. Ich solle dich fürchten, sagte man mir.«
»Fürchte Gott«, erwiderte Jehan. »Für dich und deinesgleichen hält er ganz besondere Folterungen bereit.«
Das Wesen lächelte. »Auch für dich, wie es scheint.«
Aelis hatte Mühe, den Akzent des Wesens
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