Claw Trilogy 01 - Fenrir
Sagen das nicht deine Prophezeiungen?«
»Wir werden ihnen trotzen. Solange ich in Midgard bin, soll der Totengott herrschen. Er wird den Fängen des Wolfs entkommen und weiterleben, um eine Schlacht zu entfesseln, welche die ganze Welt berühren und viele Helden in die Hallen der Toten senden wird. Ich werde dafür sorgen, dass er der König der ganzen Welt wird. Was in der Ewigkeit geschieht, kann ich nicht beeinflussen. Irgendwann wird ihn der Wolf holen, aber dies muss warten, bis ich mit den Gefallenen in Wallhall trinke.«
Der Beichtvater war geübt darin, die Stimmungen anderer aus der Stimme abzulesen. In den Worten des Raben lag etwas Seltsames, eine kleine Andeutung von Hinterlist wie das Beben in der Stimme eines Novizen, wenn er um Erlaubnis bittet, zu einem Heiler in die Stadt zu gehen, während er in Wahrheit auf dem Marktplatz ein Mädchen treffen will. Hatte Christus diesen Mann wirklich ganz und gar verstoßen? Der Beichtvater mochte es nicht glauben. Er beschloss, seinen Glauben zu prüfen.
»Du kannst überhaupt nichts beherrschen, solange du Götzen anbetest.«
»Falsch«, widersprach das Wesen. »Ich beherrsche dich. Du wirst uns prophezeien, Mönch. Du wirst uns offenbaren, wo das Mädchen ist. Sie ist der Haken, mit dem wir den Wolf fangen, sie lockt ihn an. Glaubst du, der Wolf ist froh, wenn er an seinen Tod in der letzten Schlacht denkt? Nein. Nur sie spornt ihn an, seinem Schicksal entgegenzugehen. Sie ist das Instrument der Nornen. So ist es vorherbestimmt.«
»Ich werde dir nicht helfen.«
»Auf die eine oder andere Weise wirst du es tun.«
Aelis wurde es kalt. Das graue Licht der frühen Dämmerung fiel ins Haus und vertrieb die Schatten des Feuers. Bald würde sie für das Ding sichtbar werden. Sie zog sich in die hinterste Ecke des Raumes zurück wie ein junger, ängstlicher Sklave, der sich bemüht, nicht aufzufallen.
Hugin stand auf und wandte sich an Siegfried. Sie unterhielten sich auf Norwegisch, dann deutete der Rabe nach Norden.
Siegfried erbleichte. Das Wesen wandte sich lächelnd an Jehan. »Der König hat für einen Krieger einen viel zu empfindlichen Magen. Doch er muss erkennen, dass der Weg zur Magie niemals leicht ist.« Er deutete auf sein vernarbtes, entstelltes Gesicht. »Ich weiß, wovon ich rede. Nun entschuldige mich, Beichtvater. Die Menschen rufen mich. Ich muss mich um ein krankes Kind kümmern.« Damit ging er an dem Mönch vorbei und hinaus in das erwachende Licht.
12
Eine Frage des Willens
D ie Berserker schliefen vor den Hufen der Maultiere und lagen auf Leshiis Bündeln, als Aelis nach draußen kam.
Leshii hatte sie bezahlt, um seine Waren zu bewachen, und sich geschworen, das Geld auf irgendeine Weise von ihnen zurückzubekommen, ehe er aufbrach, zumal ihre Dienste abgesehen von einem kleinen Handgemenge gleich am Anfang gar nicht nötig gewesen wären. Sobald die Leute im Lager begriffen hatten, dass der Wein alle war und die Maultiere keinen Proviant transportierten, ließ das Interesse rasch nach. Seide konnte man nicht essen und trinken, und die einzige Ware, für die sie sich begeisterten, war essbar. Leshii hatte ihnen nur ein Stück gelbe Seide zeigen müssen, damit sie sich trollten und sich wieder mit dem beschäftigten, was sie vorher getan hatten – klagen, die Waffen pflegen, verhungern.
Leshii war müde und konnte doch nicht schlafen. Im kalten Morgennebel fühlte er sich alt und fror. Er hatte beobachtet, wie das Wesen das Haus verlassen hatte und es als das erkannt, was es war – ein Schamane, ein Magier und höchstwahrscheinlich ein Irrer. Die seltsame Gestalt hatte dem Händler eine Gänsehaut eingejagt. Egal. Er hatte schon viel schrecklichere Männer gesehen. In diesem Moment hatte er sich jedoch nicht erinnern können, wo dies gewesen war.
Später kam der König aus dem Haus. Leshii verneigte sich tief und hoffte, seine Lügengeschichte werde nicht auffliegen. Wie es aussah, hatte auch der König keinen Schlaf gefunden.
»Aufgestanden, Krieger!«, rief der Herrscher.
Die Berserker kamen langsam zu sich, schüttelten den Tau aus den Haaren und wünschten, sie hätten den Kopf ruhig gehalten, sobald sie spürten, wie groß ihr Kater war.
»Schafft den Mönch zum Lager des Raben in den Wald.«
»Da würde ich lieber nicht hingehen, Herr«, wandte Fastarr ein.
»Und ich würde es vorziehen, wenn du es tust.«
Aelis ging derweil zu dem Händler, der gerötete Augen hatte und gähnte.
»Ich musste die ganze Nacht
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