Claw Trilogy 01 - Fenrir
wachen«, schimpfte er. »Das wäre eigentlich deine Aufgabe gewesen.«
Aelis warnte ihn mit einem Blick, dass sie zwar wie ein Sklave gekleidet war, es aber keineswegs hinnehmen würde, wenn er sie wie einen Sklaven behandelte. Er lächelte. Natürlich war sie keine Sklavin, sondern eher ein wertvoller Besitz, sagte er sich zum wiederholten Mal.
Ofaeti schleppte den Mönch aus dem Haus. Er hatte ihn sich einfach über die Schulter geworfen. Leshii konnte erkennen, wie sehr der Beichtvater litt, und wie sehr er sich bemühte, sich nichts anmerken zu lassen.
»Ich werde nicht den ganzen Weg mit ihm auf dem Buckel marschieren, Händler. Leih uns ein Maultier«, verlangte Ofaeti.
»Dasjenige, das den Wein getragen hat, ist inzwischen stark erleichtert«, entgegnete Leshii. »Setze ihn darauf. Ich führe einstweilen die anderen Tiere zu einem sicheren Platz im Wald.«
»Nein«, widersprach Siegfried. »Händler, du musst mir einen Gefallen tun und die Männer begleiten.«
Leshii rang sich ein Lächeln ab. »Stets zu Diensten, Herr.«
Siegfried warf Leshii einen seltsamen Blick zu und war offenbar drauf und dran, den Händler zu fragen, woher sie sich kannten, doch er sagte nur: »Die Packen und Maultiere, die du nicht benötigst, kannst du hierlassen.«
»Herr, ich würde es vorziehen, sie zu bewachen.«
»Das war eine Anweisung, keine Bitte. Man wird dir nichts aus den Packen stehlen und die Tiere nicht essen, das verspreche ich dir. Wenn ich deinen Bericht zufriedenstellend finde, bekommst du alles zurück.«
Wieder lächelte Leshii. Inzwischen war er sicher, an diesem Ort seinen Tod zu finden. Zu verkaufen gab es nichts, es gab keinerlei Zerstreuung und nicht einmal etwas zu essen. So konnte er höchstens noch hoffen, mit möglichst kleinen Blessuren aus der Sache herauszukommen. Das Schlimmste wäre es freilich, überhaupt nicht herauszukommen. Trotzdem, Leshii war ein praktisch denkender Mann und wusste, dass die Nordmänner hielten, was sie versprochen hatten. Möglicherweise waren die Bündel beim König sogar sicherer als bei ihm selbst, und wenigstens hatten die Wikinger seine Behauptung nicht erwähnt, er sei mit dem König seit dessen Kindheit bekannt.
Sie liefen an den qualmenden Lagerfeuern vorbei und wanderten eine ganze Weile bergan durch die Nebelbänke. Unterwegs blickte Leshii sich um. Der Nebel stand im Flusstal wie die Suppe in der Schale. Und was für eine Suppe es war: gebraut aus Sorgen, einer Seuche, Misstrauen und Tod. Endlich erreichten sie den Waldrand, wo etliche Männer Bäume schlugen, und drangen in das Gehölz ein. Sie folgten einem schmalen Pfad, eigentlich nur einer Fährte im Gras. Der Wald war feucht und lieblich, der Tau glitzerte in der bleichen Sonne, Glockenblumen schimmerten wie Edelsteine im Dunst. Leshii konnte die Morgenstimmung freilich nicht genießen. Er war ein Gefangener. Sein Blick wanderte zu Aelis. Was war sie? Die Gefangene eines Gefangenen. Ein tiefer Fall, den diese Edelfrau in einer einzigen Nacht erlebt hatte.
Nach etwas weniger als einer Wegstunde erreichten sie eine Lichtung im Wald. Die Bäume standen hoch, es waren riesige Eichen, die gerade die ersten Knospen bildeten.
»Hier ist es«, verkündete Fastarr.
Leshii entdeckte nichts, was auf ein Lager hinwies. Sie betraten die Lichtung.
»Hrafn!«, rief Fastarr. »Hrafn!«
Oben in den Bäumen regte sich ein Rabe im Nest.
»Das ist der falsche«, bemerkte Ofaeti. Niemand lachte.
Der Vogel starrte von seinem hohen Ast auf sie herunter.
»Das sind seltsame Viecher«, meinte Ofaeti. »Sie nisten nicht zusammen, aber sobald einer einen Hauch von Fressen wittert, reißen sie die Schnäbel auf und rufen die anderen, an dem Mahl teilzunehmen.«
»Wir wollen hoffen, dass nicht noch mehr von Hrafns Sorte in der Nähe sind«, meinte Fastarr.
»Lass mich doch dem Leichenfresser den Bauch aufschlitzen«, schlug Ofaeti vor.
Fastarr lächelte. »Wenn wir ihm jemals irgendwo begegnen, wo er nicht unter Siegfrieds Schutz steht, dann drücke ich dir selbst das Messer in die Hand.«
»Das darfst du nicht sagen«, wandte Svan ein. »Er ist ein Priester Odins. Er heilt die Menschen, und in der Schlacht ist er so viel wert wie zehn Krieger. Ich habe es selbst gesehen.«
Fastarr grunzte und war offenbar nicht bereit, weiter über dieses Thema zu streiten. »Hrafn!«
Im Unterholz regte sich etwas.
»Oh, bei Freyrs Gemächt, sie ist auch hier.«
»Wir liefern die Gefangenen ab, und das war’s für uns. Ich
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