Claw Trilogy 01 - Fenrir
vor sich, der alles verkörperte, was sie verabscheute. Siegfried und seine Angehörigen hatten Chartres verbrannt und das Land ihres Vaters in Neustrien besetzt. Sie beherrschten, was eigentlich ihr hätte gehören sollen. Siegfried hatte die Söhne der Kirche mit dem Schwert aufgespießt und Seuchen und Hunger über ihr Volk gebracht.
»Ich sage ihnen nichts, und man wird dich vergessen.«
Sie stieß mit beiden Händen zu, doch er fing das Schwert mit der unverletzten Hand ab.
Blut schoss aus seinen Fingern, als er die Klinge zur Seite drückte. Siegfried lächelte. »Jetzt bereue ich, dass ich die Waffe schärfen ließ.« Seine Hand zitterte, das Blut rann über den ganzen Arm. Aelis stieß so fest sie konnte zu und legte ihr ganzes Gewicht hinter den Schwertknauf. Doch selbst im Tod besaß Siegfried noch große Kräfte und hielt die Klinge fest.
»Weißt du, wie die Prophezeiung lautet, Aelis? Das Wissen, für welches die Rabenfrau die Augen hergab? Weißt du es? Ein Wolf hetzt dich. Ein wilder Wolf, der dich schon ewig durch viele Leben jagt. Doch der Wolf kennt nur die Zerstörung, und wenn er dich findet, wird er dich und alles vernichten, was dir lieb und teuer ist. Du bist verflucht, Aelis, ewig verflucht und mit dem Schicksal der Götter verknüpft.«
Der König konnte das Schwert nicht mehr halten. Er stieß einen lauten Schrei aus und drückte die Klinge zur Seite. Aelis zog es sofort zurück vor sein Gesicht und stieß abermals zu. Er wollte sich abwenden und wurde von seinen Verletzungen daran gehindert. Die Klinge traf ihn seitlich am Hals. Das Blut schoss aus der klaffenden Wunde. Siegfried hob eine Hand, um den Strom einzudämmen, konnte jedoch nichts mehr ausrichten. Er fiel auf den Rücken, blickte Aelis an und schüttelte mit letzter Kraft lächelnd den Kopf. »Also eine Frau und eine Art von Wolf. Vielleicht war ich tatsächlich Odin.« Damit starb er.
Aelis setzte sich keuchend und zitternd nieder. Sie war mit dem Blut des Königs bedeckt. Unsicher blickte sie zu dem Hügel hinauf. Keine Zeit, sich zu erholen und zu zaudern. Sie lief zu den Mönchen. Marellus war tot. Auf der bleichen Haut, wo der Habit zerfetzt war, blühte eine blutrote Blume. Abram lebte noch, war aber ohnmächtig. Er hatte keine offensichtlichen Verletzungen davongetragen, wenn man von dem mächtig angeschwollenen Kinn absah. Anscheinend hatte der König ihn einfach niedergeschlagen.
Sie kehrte zu dem toten König zurück. Rasch zog sie ihm die Rüstung aus und legte sie selbst an. Sie verschwand fast darin, und die Halsberge war viel zu weit, doch das störte sie jetzt nicht. Das schwere Metall drückte auf den Schultern, aber sobald sie den Gürtel des Königs angelegt hatte, verteilte sich das Gewicht und war leichter zu ertragen. Irgendwie hatte diese Last auch etwas Tröstliches, denn die Rüstung konnte sich als nützlich erweisen. Schließlich legte sie auch Siegfrieds Schwert und das Messer an, warf den vom Blut durchnässten Mantel darüber und schlang sich zuletzt den Schild über den Rücken, wie sie es so oft bei ihrem Bruder gesehen hatte. Sie nahm ihn nur ungern an sich, denn er trug das verhasste Wolfssymbol, das sie auf den Bannern der Wikinger gesehen hatte. Der Helm war viel zu groß und daher nutzlos, aber sie zog die Stiefel an und war froh, die nackten Füße schützen zu können. Der König hatte auch Geld bei sich – zwei Denier und drei Tremissis. Außerdem besaß er einen schönen silbernen Armreif, der eine Schlange darstellte, die den eigenen Schwanz verschlang. Sie schob sich die Geldbörse vorne in die Halsberge und verwahrte dort auch den Ring.
Dann sah sie nach dem Beichtvater. Er atmete noch, wenngleich sehr schwach. Sie musste ihn an einen sicheren Ort bringen, wo er sich ausruhen konnte, aber was sollte sie mit dem bewusstlosen Mönch tun? Siegfrieds Pferd war zu groß, um ihn hinaufzuheben, und das Maultier konnte die beiden Männer nicht tragen. Sie spähte zu den Gehöften am Fluss. Sie waren niedergebrannt, wie sie erst jetzt bemerkte. Direkt hinter den Gebäuden erkannte sie die Furt, und dahinter den Saum eines weiteren großen Waldes. Die Bäume boten ihr die beste Deckung, um in aller Ruhe ihre Lage zu überdenken. Allerdings musste sie zweimal gehen, einmal mit dem Beichtvater und noch einmal mit Abram.
Sie blickte nach oben. Auf dem Hügel tat sich etwas. Sie musste schnellstens verschwinden. Mit einem leisen, fast unhörbaren Ruf lockte sie Siegfrieds Pferd zu sich. Das
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