Claw Trilogy 01 - Fenrir
Tier gehorchte, als trüge es einen Reiter, und kam zu ihr. Es war ein mächtiges Ross, und sie war durch Mantel und Stiefel behindert, doch das Pferd war geduldig, und endlich konnte sie aufsteigen und schüttelte widerwillig den Kopf, denn der Sattel bestand, wie so oft bei den Wikingern, aus Grassoden. Das war doch kein Sitz für einen König, nicht einmal für eine Edelfrau. Immerhin, es war ein Sattel, den sie benutzen konnte, also musste sie sich damit begnügen.
Aelis lenkte das Streitross zum Maultier. Als sie sich bückte, um den Führstrick von dessen Rücken aufzunehmen, bemerkte sie, dass die Gestalt auf dem Hügel inzwischen eilig auf sie zugerannt kam und heftig winkte. An dem wallenden weiten Kaftan, der schief sitzenden Mütze und dem grauen Spitzbart erkannte sie den Händler. Er gestikulierte mit beiden Armen, gab dabei jedoch keinen Laut von sich wie ein Narr bei Hofe, der ein verrücktes Schauspiel aufführt.
Sie nahm an, dass er verfolgt wurde, oder er fürchtete, die Aufmerksamkeit der Verfolger zu erregen. Das erklärte sein Schweigen. Natürlich wollte er sie gegen ein Lösegeld verschachern, aber in diesem Moment kam er ihr nicht ungelegen. Sie durfte sich keinesfalls von den Nordmännern gefangen nehmen lassen. Der Händler konnte an den feindlichen Kräften vorbeischleichen, die sich am Ufer herumtrieben, ihren Bruder erreichen und Hilfe holen, damit sie wieder nach Hause kam. Er konnte ihr auch mit Bruder Abram helfen.
Sie zog das Pferd herum und erwartete ihn. Leshii krümmte sich, stemmte die Ellenbogen auf die Knie und hechelte wie ein erschöpfter Jagdhund.
»Du hast dein Versprechen gehalten«, sagte er, als wöge jedes Wort so schwer wie ein Amboss, den er mühsam aus dem geschwächten Leib hervorstoßen musste.
»Hast du auch deines gehalten?«
»Ich hatte mit dem König zu tun, und du ebenfalls, wie ich sehe. Haben ihn die Mönche erledigt? Das kann ich kaum glauben.«
»Er ist durch das Schwert gestorben«, erwiderte Aelis. »Durch sein eigenes sogar, und geführt hat es eine Frau.«
» Du hast ihn getötet?« Leshii staunte. »Das haben alle Krieger in ganz Franken nicht geschafft. Wie hast du das zuwege gebracht?« Er stand immer noch vorgebeugt da und schnappte nach Luft.
Aelis ließ die Frage unbeantwortet. Sie mussten aufbrechen. »Einer der Mönche lebt noch. Du kannst ihn tragen«, sagte sie.
»Dann hast du bald noch einen weiteren Leichnam bei dir«, antwortete Leshii. »Hilf mir, ihn auf dein Pferd zu heben.«
Aelis nickte. Das war, sie musste es zugeben, die beste Lösung.
»Wir fliehen in den Wald«, erklärte sie. »Von dort aus kannst du später wieder zum Südufer übersetzen. Geh nach Saint-Germain oder schicke, wenn der Weg blockiert ist, eine Nachricht in die Stadt. Es gibt Männer, die hinein- und auch wieder herausgelangen, sofern man ihnen einen guten Preis bietet.« Sie griff in die weite Brünne, zog den Armreif hervor und warf ihn Leshii zu.
»Sage den Wächtern meines Bruders, dass seine Schwester ihm dieses Stück von dem König schickt, den sie getötet hat.« Leshii untersuchte den gut gearbeiteten Reif und nickte anerkennend.
Bruder Abram war nicht so ausgemergelt wie der Beichtvater. Sie mussten angestrengt drücken und schieben, bis sie ihn auf den Pferderücken bugsiert hatten. Aelis führte das Pferd, während Leshii Abram festhielt und das Maultier führte. Als sie durch die verkohlten Gerippe der Häuser liefen, zogen Wolken über den Mond. In der Finsternis konnten sie den Wald kaum noch erkennen.
Der Reiter, der am Waldrand gewartet hatte, kam nun den Hügel herunter. Sie bemerkten ihn so wenig wie die Gestalt im Federmantel, die aus der Dunkelheit trat und die Hand der bleichen Frau fasste, während er seinerseits den Reiter beobachtete.
19
Ein Kampf für Saerda
L eshii war hungrig und fror. Es war die kurze Spanne vor der ersten Morgendämmerung, wenn die Nacht vielleicht gerade deshalb, weil der warme Tag so nahe ist, am kältesten zu sein scheint.
Die Edelfrau hatte sich geweigert, ihm auch nur einen Zipfel des Mantels abzugeben, und ihn lieber benutzt, um die ohnmächtigen Mönche zu bedecken. Auf seinen Einwand hin, der große Mönch bemerke es nicht einmal mehr, ob ihm kalt oder warm sei, hatte ihm die Edelfrau nur einen Blick geschenkt, bei dem ihm noch kälter geworden war. Andererseits konnte er sich kaum beklagen, weil sie auch selbst litt. Unter der Rüstung, die sie offenbar auch in der Nacht nicht ablegen wollte,
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