Clean Team
noch einen Scheck. Und wenn, na ja, du weißt schon.
Der Lieferwagen stoppte.
- Web, wenn deine Mom dir Geld geschickt hat und du nicht arbeiten willst, ist das in Ordnung. Andernfalls ruf mich in den nächsten Stunden an. Sollte ich dann noch niemanden haben, kannst du arbeiten. Nacht.
Ich sah zu, wie er um die Ecke bog, zog das Geld aus der Tasche und zählte nach. Exakt achtzig Doller, fein säuberlich um eine Clean-Team-Visitenkarte gefaltet. Ich ließ die Heckklappe des Apache herunter, setzte mich darauf und schlenkerte mit den Beinen, während ich mir mit der Karte über die Fingerknöchel schabte und nachdachte.
Ein Pick-up rollte langsam die schmale Straße herunter, ein fensterloser Dodge Ram, dessen Kühlerhaube und Flanken frisch geschliffen und verspachtelt waren. Er blieb kurz stehen, um ein paar Kids vorbeizulassen, die auf ihren Rädern in die Gegenrichtung fuhren, dann tuckerte er gemächlich weiter, während die Kids bis zur Ecke strampelten und die Gasse hinunterschossen. Von dort unten tönte das Geschrei des obdachlosen Pärchens herauf, das sich wüste Flüche an den Kopf warf.
- Schlampe.
- Blödmann.
- Hure.
- Arschloch.
- Bumsschlitten.
- Schwanzlutscher.
- Pissnelke.
- Sackgesicht.
Ein glorioses Beispiel der spontanen Straßenpoesie Hollywoods.
Ich lauschte den beiden, studierte die Visitenkarte und überlegte, wann und wo ich Po Sin kennengelernt hatte. Ich konnte mich noch gut an das erste Mal erinnern, als ich ihn gesehen hatte. Er brachte Xing, seine Jüngste, zur Schule, stampfte über den eingezäunten Spielplatz, die Hand seiner rundgesichtigen Tochter in einer Riesenpranke, in der anderen ihren Sponge-Bob-Ranzen. Und sämtliche Kids blieben mit offenen Mündern stehen, als dieser Leviathan in ihrer Mitte auftauchte. Ziemlich eindrucksvoller Auftritt.
Aber wann lernten wir uns wirklich kennen? Vielleicht bei dieser Schultheateraufführung? Po Sin lehnte an der Rückwand der Aula, weil die Klappstühlchen zu klein für ihn waren. Ich stand ebenfalls dort, weil ich ein Auge auf die Störenfriede haben sollte, die sich immer möglichst in die letzte Reihe verdrückten.
In meiner Schulzeit gehörte ich auch zu der Sorte. Spuckekugeln. Schwätzen. Ellbogenchecks. Gekicher. Zettel über nervige Strebertypen rumgehen lassen. Meistens jedoch zog ich heimlich ein Buch aus der Tasche, verbarg es im Schoß und las. Vergaß alles, was sich vorn auf der Bühne abspielte.
Die Kids, die ich während der Aufführung im Auge behalten sollte, zogen so ziemlich den gleichen Mist ab. Außer dass auf ihren Zetteln inzwischen wahrscheinlich öfters fick dich stand und man in ihrem Schoß eher einen Gameboy oder eine Play Station Portable als ein Buch entdeckt hätte.
Po Sin lächelte, als Xing, ein intrigantes kleines Biest, das bei Mitschülerinnen und dem gesamten weiblichen Lehrpersonal gefürchtet war, als Fee oder Baum oder Regenbogen oder sonst was auf die Bühne hopste. Und er applaudierte, als sie ihren einzigen Satz hervorgestammelt hatte.
Ich beugte mich zu ihm rüber und versicherte ihm, wie süß sie sei. Er sah mich nur an und schüttelte den Kopf.
- Sie ist ein unglaubliches Miststück. Aber ja, sie ist auch verdammt süß.
Während des Plätzchen- und Punschteils des Abends plauderten wir ein bisschen. Er erzählte mir von seinem Job. Und ich erwähnte, dass mein Mitbewohner jemanden suchte, der seinen Sondermüll entsorgte.
Er und Chev freundeten sich an, und nach Feierabend, während ich Klassenarbeiten korrigierte, berichtete mir Chev gelegentlich, was Po Sin so alles reinigte. Wie sie etwa an einer hundert Meter langen Bahnstrecke jeden einzelnen Schotterstein schrubben mussten, weil ein Zug einen Junkie mitgeschleift hatte. Ich kritzelte dazu meine kleinen roten Anmerkungen an den Rand von Rechtschreibtests oder Ferienerlebnis-Aufsätzen.
Po Sin meldete sich öfter mal bei mir, nachdem ich gekündigt hatte. Ich ging aber nie ans Telefon und hörte mir auch seine hinterlassenen Nachrichten nicht an. Vermutlich hatte es immer irgendwie mit Xing zu tun.
Später, als er Chevs Müll abholen kam und mich im Laden rumhängen sah, hatte er immer ein paar nette Worte für mich übrig. Zumindest am Anfang. Dann fing er an, mich damit zu nerven, dass ich mir vielleicht professionelle Hilfe suchen sollte, und ähnliches Psychogelaber. Als das nichts fruchtete, gab er schließlich auf. Für einige Zeit zumindest. Dann gewöhnte er sich wohl irgendwann
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