Clean Team
ich Soledad den Plastikbehälter ab, sie packte meine Hand und rannte lachend neben mir her.
NUR EIN KLEINES ERDBEBEN
- Wie bist du hier rausgekommen?
- Taxi.
Ich wandte den Blick von der Straße.
- Du bist den ganzen Weg von Malibu nach Carson mit dem Taxi gefahren?
Sie hielt die Augen geschlossen.
- Ja. Es heißt doch immer, man soll nicht selbst fahren, nach einem plötzlichen und unerwarteten Trauerfall in der Familie.
- Warum das?
- Vermutlich weil man abgelenkt ist. Keine Ahnung wodurch. Möglicherweise Erinnerungen an den eigenen Dad, den man mit weggesprengtem Schädel gefunden hat?
Sie öffnete die Augen, schüttelte den Kopf und kniff sich in die Wange.
- Ich muss lernen, nicht so leichtfertig über diese Dinge zu reden. Es ist irgendwie schwerer als erwartet, damit umzugehen.
- Also war das Taxi vermutlich doch eine gute Idee.
- Vermutlich. Bis auf die Tatsache, dass der Fahrer offensichtlich glaubte, ich sei zu einem Stelldichein mit irgendeinem harten Burschen unterwegs, mit dem ich zuvor online gechattet hatte. Aber in diesem Fall kann ich ausnahmsweise mit der unvorteilhaften Einschätzung eines Taxifahrers leben.
- Ich wollte, wir wären alle so souverän.
Sie wedelte mit der Hand.
- Souverän? Bitte übertreib’s nicht.
Ich lächelte.
- Du hast Recht. Insbesondere da dein Bruder bereits sämtliche Exklusivrechte auf diese Charaktereigenschaft besitzt.
- Eigentlich ist er nur mein Halbbruder.
- Ja, dieselbe Mutter. Schon klar.
Sie unterbrach ihr Studium der grellen Leuchtreklamen, die für die gigantischen Gebrauchtwagenareale entlang der 405 North in Torrance warben.
- Wieso ist das klar?
Ich setzte den Blinker, um einen Pinto zu überholen, der mit dem kompletten Hausrat seines Besitzers vollgestopft war. Kartons und Plastiktüten stapelten sich vom Fußraum bis zum Wagendach, und ließen gerade noch genug Platz für den Fahrer. Einer der motorisierten Obdachlosen von L.A. Ich linste im Vorbeifahren rüber zu dem Kerl, der in ein endloses Selbstgespräch vertieft war.
Dann blickte ich wieder auf die Straße vor mir.
- Er hat mehrmals von deinem Dad gesprochen. Also geh ich davon aus, dass ihr nicht denselben Vater habt.
Sie widmete sich wieder den Leuchtreklamen.
- Oh, Detective Web bei der Arbeit. Hast du sonst noch irgendwelche Familiengeheimnisse zu Tage gefördert?
- Nur, dass das schwarze Schaf der Familie nebenbei noch ein ziemlicher Schwachkopf ist.
- Das ist nun aber echt kein Geheimnis.
- Stimmt, er gibt sich keine sonderliche Mühe, es zu verbergen.
Sie schob die Hände in die Taschen ihrer Jacke und kramte darin herum.
- Eigentlich ist er ganz okay. Oder besser gesagt, er war es. Als wir noch klein waren. Er ist einfach ziemlich verwöhnt. Und er lechzt nach Aufmerksamkeit.
- Interessante Mischung.
Sie zog einen Haargummi hervor und begann ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zu binden.
- Meine Mom ist eine seltsame Frau mit ungewöhnlichen Fähigkeiten. Besonders, wenn es darum geht, die Psyche ihrer Kinder zu verkorksen.
Ich rückte meinen Gurt zurecht, der zu weit oben gegen meinen Hals drückte.
- Ja, Mütter können in der Beziehung ziemlich einfallsreich sein.
Sie hatte ihr Haar bis auf ein paar vereinzelte wilde Locken gebändigt und lehnte sich wieder zurück.
- Unsere Mom ist da mehr als einfallsreich. Bei Jaime hat sie ihr ganzes Talent darauf verwendet, ihm jeden, aber auch wirklich jeden Wunsch zu erfüllen. Das schien ihr wohl der leichteste Weg, ihn bei Laune zu halten und sich gleichzeitig möglichst wenig mit ihm beschäftigen zu müssen. Und Jaime reagierte darauf, indem er immer mehr Spielzeug, Reisen, Partys einforderte, vermutlich, um so ihre Zuwendung zu erzwingen.
- Und wie hat sich das ausgewirkt?
- Ich hab nicht allzu viel davon mitgekriegt, da ich selbst nicht besonders scharf auf ihre Gesellschaft war. Aber ich denke, je mehr er gefordert hat, desto mehr hat sie gearbeitet, um ihm seine Wünsche zu erfüllen. Und je mehr er kriegen konnte, desto mehr hat er gefordert, und desto mehr hat sie gearbeitet, und so weiter.
- Also die typische emotionale Entfremdungsmaschinerie einer dysfunktionalen Familie?
Sie musterte mich aus den Augenwinkeln.
- Oh, wie intelligent.
Ich rieb mir die Augen.
- Ja, Intelligenz ist meine große Stärke. Ich verhalte mich immer ausgesprochen intelligent. Deshalb sitze ich
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