Clemens Gleich
Sie sind keineswegs unentbehrlich." Makorn begann wieder zu grummeln. Shardid wusste aus ihren früheren Begegnungen, dass Freundlichkeit in diesem speziellen Fall fehl am Platze war. Freundlichkeit hatte Makorn das letzte Mal als Schwäche ausgelegt, was schlussendlich erst zu seiner Versetzung hierher geführt hatte. Deshalb unterbrach Shardid sein beginnendes Gegrummel mit der Stimme der Autorität:
"Hauptmann Makorn? Halten Sie den Mund und benehmen Sie sich endlich wie ein Hauptmann! Das ist ein Befehl." Makorn behielt seine Beherrschung, bis Shardid mit dem leisen Rascheln von Papier aus seinem Büro verschwunden war.
Major Palankin erhielt – plop – Post von einem vorgeblich Toten. Es war das Ende eines von Laocoon initiierten Austausches darüber, was Shardid Rooth denn vorhabe (Laocoon) und wer er, Laocoon denn eigentlich sei, denn laut der imperialen Aktenlage sei eine Stimme dieses Namens nicht mehr unter den lebenden Mitarbeitern (Palankin). Der Major las die Nachricht. Laocoon behauptete darin, nicht tot zu sein, er müsse das ja schließlich am besten wissen. Er schrieb weiter, er habe seinen Tod nur vorgetäuscht, um einer korrupten Stimme des Ministeriums zu entgehen. Er erzählte von seinem berechtigten Stolz darauf, seiner letzten offiziellen Mission nicht nur mit dem Leben entkommen zu sein, sondern auch mit einem verborgenen Leben im Untergrund, der fortan seine Heimat wurde. Er gab zu, dass er im Exil natürlich auf die Kräfte der Stimmen verzichten musste, jedoch adäquate Substitute gefunden habe, wie die beiden ja selbst sehen konnten. Er schrieb, dass sein korrupter Feind den Namen Shardid Rooth trug. Er schrieb, wie Magnus fand, insgesamt eine rechte Revolvergeschichte, deshalb beantragte er unmittelbar nach dieser Lektüre einen weiteren Termin im Kommraum.
Dort stand er wenig später dem Bildnis desselben Offiziers gegenüber, der ihm schon die letzte Hiobsbotschaft verkündet hatte. Derselbe Offizier war über die nochmalige Unterhaltung wenig erfreut.
"Womit kann ich diesmal dienen?", fragte er in angestrengter Höflichkeit. Magnus Palankin versuchte es mit Gramp'scher Direktheit, weil die ihm bei Laocoon gute Dienste geleistet hatte:
"War Laocoon auf seiner letzten Mission allein unterwegs?"
"Das kann ich Ihnen nicht sagen."
"Hören Sie, ich kenne das Protokoll und was man alles nicht verraten soll, um Interessen zu schützen. Ich habe einige dieser Protokolle mitentworfen", sprudelte es aus dem Major heraus. "Aber ich bin nicht die Öffentlichkeit. Ich bin ein Offizier des Imperiums und das ist ein wichtiger Sonderfall."
"Ich kann Ihnen wirklich nichts sagen." Der Mann wirkte gequält.
"Schauen Sie in meine Akte! Ich bin immer ehrenhaft und menschlich gewesen, selbst auf den schlimmsten Schlachtfeldern."
"Das ist nicht nötig. Ich kenne Ihre Akte. Ich kann Ihnen nichts sagen. Es tut mir leid." Damit unterbrach der Mann die Verbindung. Palankin blieb im stillen, dunklen Kommraum stehen und schrie die Leere an. Immer noch fluchend kehrte er in sein Abteil zurück und schenkte sich einen doppelten Whisky ein, mit dem er sich an seinen Lieblingsplatz am Fenster setzte, an dem vor ihm – plop – ein Briefdämon auf dem Tisch landete. Er enthielt nur einen einzigen Satz: "Laocoons letzte Mission war mit der Stimme Shardid Rooth." Noch bevor Palankin das glauben konnte, löste sich der Dämon auf.
Telemann, der Touristenführer, dachte sich der Navigator selbstironisch, als er seine gestörte, ramponierte kleine Reisegruppe mit ihrem nächsten Ziel vertraut machte:
"Kannerda ist der Ort, an dem die Stämme beschlossen haben, auf... ihre eigene Art ... freundlich zu sein. Ihr solltet also nicht davon ausgehen, irgendwelche Verhaltensmotivationen auch nur im Ansatz zu kennen. Es ist also ein gruseliges Reiseziel. Die Gegend ist karg, aber sehr urig mit großen Felsen, vielen einheimischen Beerenarten, knorrigen Birken, Flechten und Moosen, den Moskitas, Knats und tausend anderen Variationen an stechendem Geschmeiß. Es kommt mir vor, als ernährten sich hier alle Insekten ausschließlich vom Blut der Wirbeltiere.
"Es kann empfindlich kalt werden im Sommer, obwohl es auch sehr schnell sehr warm werden kann, wenn die Sonne mal herauskommt. Es gibt starke Temperaturunterschiede schon tagsüber und es ist derzeit derart wechselhaft, dass man in einer viereckigen Hütte sitzen und aus jedem Fenster ein anderes Wetter sehen könnte.
"Die Stämme hier leben in Behausungen aus
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