Clemens Gleich
langsam etwas Tee zu schlürfen. "Und Sie kennen wahrscheinlich die offiziellen Versprechen des Imperiums. Falls nicht: Diese Versprechen können nicht gebrochen werden, ohne dass wir einen Großteil aller Vorhersagen verlieren. Meines Wissens wurde noch nie ein offizielles Versprechen gebrochen."
"Hm." Danus Feyerabend blickte ins Leere. "Ich glaube, ich bin einverstanden", sagte er dann.
"Gut. Eine schnelle Entscheidung."
"Aber ich weiß nicht, wie viel der Hof wert ist", wandte Danus ein.
"Wir schon."
"Oh gut. Wieviel denn?"
"Wir zahlen Ihnen 1000 Goldmark für die Eigentumsrechte. Ihnen bleibt ein lebenslanges Wohnrecht sowie damit natürlich ein Teil des üblichen Hausrechts." Shardid bemerkte den verständislosen Gesichtsausdruck des Bauern, also fügte er erklärend hinzu:
"Das bedeutet, der neue Eigentümer kann Sie nicht einfach aus Ihrem Zimmer hinauswerfen. Machen Sie sich keine Sorgen, wir glauben, dass Sie gut miteinander auskommen, dass Sie zusammen ein gutes Arrangement finden. Sollte es doch Streitfragen ernster Natur geben, leistet das Ministerium auch klärende Nachsorge."
"Das hört sich für mich fair an", sagte Danus nach kurzer Bedenkzeit.
"Das ist es auch." Der Bauer klatschte fröhlich in die Hände und zog etwas aus einer Brusttasche:
"Wollen wir den Vertrag mit einem Pfeifchen besiegeln? Ich habe guten Tabak hier, selbst angebaut."
"Sehr gerne." Sie pafften schweigend eine Weile vor sich hin. Shardid genoss jeden Augenblick dieses sonnigen Besuchs, denn die nächste Zukunft sah düster aus – für alle.
"Wo geht's als nächstes hin?", fragte Feyerabend plötzlich. Shardid lachte:
"Sehe ich aus, als hätte ich noch etwas vor heute?"
"Ja, ein bisschen. Es ist eine Art Zögern vor einer unliebsamen Aufgabe." Paff-paff.
"Gute Menschenkenntnis", lobte Shardid. "Ja, ich zögere meinen nächsten Termin so lange es geht hinaus, weil er weniger angenehm sein wird, als hier auf der Veranda zu liegen. Ich muss zum Bahnhof, personelle Angelegenheiten regeln."
"Zu welchem Bahnhof?"
"Zum letzten."
Shardid schlenderte die einzige Straße eines kleinen Ortes entlang, der bestimmt mal einen Namen gehabt hatte, bevor das Imperium hier den "letzten Bahnhof" errichtet hatte, wie ihn der Volksmund nannte. "Port Einundfünfzig" stand etwas nüchterner in den imperialen Dokumenten, und weil es nicht irgendein Bahnhof war, sondern wirklich der letzte in gesicherter Zivilisation, organisierte ihn das Ministerium militärisch. Es gab keinen Bahnhofsleiter, sondern einen Befehlshaber. Den jetzigen hatte Shardid persönlich in friedlicheren Zeiten hierherverdonnert. Seinen Unmut darüber ließ er sich weit heraushängen. Seine Mitarbeiter drückten es so aus: Hauptmann Makorn war ein schwarzes Loch, in der jegliche Motivation spurlos verschwand. Shardid richtete sich also darauf ein, dass sein eigentlich einfacher Auftrag emotional stressig und sozial schwierig würde. Aus diesem Grund schlenderte die Stimme auch die Straße entlang. Er wusste, wie sehr es Hauptmann Makorn hasste, wenn er einfach direkt im Büro erschien. Kein Grund, zusätzlichen Stress zu erzeugen.
Einige wenige Häuschen drängten sich an die steilen Granitwände einer natürlichen Schlucht des Randgebirges. Links und rechts der Haupt- und einzigen Straße drängten sie sich, an deren Ende eine riesige Halle stand, eher technisch funktional als schön: der letzte Bahnhof. Die breite Straße war zweigeteilt, denn in ihrer Mitte verlief ein tiefer Graben, durch den die Gleise führten. In regelmäßigen Abständen überspannten Metallbrücken den Graben, durch deren Gitter man fahrende Züge beobachten konnte – eine der wenigen Sehenswürdigkeiten hier. Trotz des Erscheinungsbildes einer Sackgasse war der letzte Bahnhof ein Durchgangsbahnhof. Die Eisenbahn arbeitete sich ab hier wie ein Wurm durch den längsten Tunnel, den es im Imperium gab. Viel Passagieraufkommen gab es an dieser Station nicht, wohl aber jede Menge Fracht, außerdem ständige Militärtransporte entlang der gefährlichen Route auf der anderen Seite des Tunnels. Dort begann das Niemandsland des Grenzgebietes, in dem man immer nur so sicher sein konnte, wie man brutal zu sein bereit war. Hier im Ort lebten deshalb mehr stationierte Soldaten als zivile Einwohner. So hatte zum Beispiel das größte örtliche Unterhaltungs-Etablissement eine kleine Tanzfläche, eine kleine Bar, hauptsächlich aber einen großen Puff. Obwohl Prostituierte dort gut verdienen konnten,
Weitere Kostenlose Bücher