Clemens Gleich
gesagt, Sie wollen nicht mehr den Kindergärtner in Romala spielen", erinnerte ihn Palankin. "Wieso derart feindselig?"
"Es gefällt mir nicht, so unwichtig zu sein, dass mich jeder an den letzten Bahnhof schicken kann", maulte Gramp. Magnus sah sich fast verschwörerisch um. Sie waren allein.
"Hören Sie", sagte er dann, "Sie sind nicht unwichtig. Sie sind wichtig, und nur deshalb laufen Sie so viel über das Spielfeld. Ich sollte Ihnen das vielleicht nicht so explizit sagen, aber da pfeifen wir jetzt mal drauf."
"Soll das heißen..." Gramp ahnte etwas. "Soll das heißen, dass hier ein abgekartetes Spiel läuft?"
"Ja!" Palankin guckte ihn fassungslos an. "Ja, verdammt! Natürlich! Wir leben im Zeitalter der Vorhersehungen, das sagen doch schon die Kinderbücher. Sehen Sie: Eine Person nimmt dann viel Einfluss auf die Geschichte, wenn ihre Fähigkeiten und ihr Wille, die einzusetzen, genau zur rechten Zeit am rechten Ort sind. Kurz: Es ist schlichtweg Glück. Oder zumindest war das in der Zeit vor dem Imperium so." Gramp zweifelte so stark, dass man es ihm ansehen konnte.
"Schauen Sie in die Geschichtsbücher!", rief Palankin. "Es sind nicht die Besten, es sind nicht die Fleißigsten, es sind nicht die Intelligentesten, die eine primitive Gesellschaft voranbringen. Nein, es sind die Gutgenugen, die das Glück haben, eine ihnen passende Chance ergreifen zu können während ihres kurzen Lebens. Und..." Die Rüstung hob einen klobigen Zeigefinger. "...so viele Angelpunkte für eine bessere Gesellschaft finden nichteinmal die Gutgenugen. Das Imperium, das Ministerium, die Seher, sogar Sie und ich, wir sorgen für wichtige Passungen. Wir warten nicht auf Glück. Wir erschaffen es." Der Major sah ganz aufgeregt aus.
"Ist das so?", fragte der Hauptmann. "Ich bin also gut genug dafür, etwas Glück zu haben." Doch hatte er durchaus die eine schmeichelhafte Information verstanden: Er war etwas Besonderes. Er war wichtig. Oder wichtig genug jedenfalls.
"Wir verstehen uns", hoffte Palankin. "Bitte erzählen Sie diese Sachen nicht wahllos herum. Mir ist aber wichtig, dass Sie verstehen."
"Und wenn ich doch spreche?", fragte der Hauptmann lauernd. "Werde ich dann beseitigt?"
"Nein, dann werden Sie unglücklich, weil niemand Ihnen glauben wird, weil es niemanden interessiert. Ein Missionar braucht mehr als Worte, ein Missionar braucht exekutive Macht, wie wir sie in den Stimmen haben." Er löste einen Mechanismus aus. Die Riesenhände der Rüstung falteten sich in ihre Rückenbuckel zurück. "Außerdem steht es jemand wie Ihnen schlecht, ein seltsamer alter Kauz zu werden, der glaubt, die Welt durch Aufklärung ändern zu können."
"Man kann die Welt durch Aufklärung ändern", sagte Gramp. "Sie machen es doch gerade! Sie erzählen mir das alles."
"Meine Aufklärung kommt ja auch unterstützt durch die Macht des gesamten Ministeriums und sie fällt auf fruchtbaren Boden. Das ist nicht die Regel. Die meisten Menschen bestehen ja nichtmal ihre Bürgerprüfung oder machen sie gar nicht erst." Hier musste Gramp widerwillig zustimmen. "Meine Aufklärung, meine Ausführungen sind dazu da, dass Sie sich mit dieser Macht schneller anfreunden, sie vielleicht in Zukunft schneller am Wirken erkennen. Ich glaube, das hilft Ihnen."
"Was ich dann nicht verstehe", sagte Gramp demonstrativ an sich herabblickend. "Warum konnte Shardid nicht einfach in mein Büro kommen, mir das alles beim Kaffee erklären und mich dann an den Bahnhof versetzen?"
"Weil ein Mensch Erfahrungen braucht, um sich wirklich zu ändern, ganz einfach. Wenn Erfahrungen für echte, tiefe Motivationen sorgen, braucht es keinen externen Antrieb mehr."
"Sie klingen selber schon wie eine Stimme", murrte Gramp. "Und was soll das alles mit dieser armen Familie? Was war das für ein Quatsch mit dieser Panik in der Zeitung?"
"Absicht", sagte Palankin. Gramp schaute ihn erwartungsvoll an. Palankin zwinkerte statt einer Antwort und legte den Zeigefinger auf die Lippen.
"Und Shardid?", fragte der Hauptmann nach einigen gedankenversunkenen Schritten.
"Der weiß, dass es auch ohne Aufklärung ginge. Er hätte Ihnen nicht so genau Auskunft gegeben. Aber ich bin nicht Shardid."
"Hm. Was ist mit Ihnen?" Fast hoffte Gramp, Magnus Palankin würde auch strafversetzt an diesen komischen Bahnhof.
"Ich werde mich wohl für Befehlsverweigerung und Fahrlässigkeit auf dem Schlachtfeld verantworten müssen", grinste der Major. "Aber aktuell bin ich so voller Adrenalin und
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