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Clemens Gleich

Clemens Gleich

Titel: Clemens Gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pikmo und Jianna (German Edition)
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machte die junge Frau und beließ es dabei. "Kann er sprechen?"
    "Er kann sprechen, wenn ich es ihm erlaube. Er wird allerdings auch in diesem Fall keine besonders freundlichen Sachen sagen." Elis guckte nur, also schrieb Shardid achselzuckend einen neuen Zettel, den er ebenfalls an Pis Stirn klebte. Ein Schluchzen erschallte, dann schrie Pi:
    "Warum endet es so? Scheiß-Seher! Ich bring' sie alle um!" Shardid kniete sich neben ihn und fragte in einer ruhigen Stimme:
    "Was haben die Seher dir vorhergesagt?"
    "Dass ich endlich meinen Frieden finde!", schrie er. Vor Anstrengung fielen ihm fast die riesigen Augen aus dem Kopf, doch konnte er dennoch nur die zum Sprechen nötigen Muskeln bewegen. "Soll das hier Frieden sein? Dass ich von meinen Freunden betrogen werde?! Dass, dass, dass ... Dass der die Frau kriegt?!"
    "Das hier muss nicht das Ende der Vorhersage sein", murmelte Shardid in das große, spitze, blaue Ohr. "Wir haben euch gemacht, alle beide. Wir können bestimmt etwas für dich tun." Pi schwieg, aber er schluchzte auch nicht mehr. Shardid nickte. Er schien eine Entscheidung getroffen zu haben.
    "Wie heißt du?", fragte er.
    "... Pi", flüsterte Pi. "Ich heiße Pi."
    "Komm mit uns, Pi." Shardid klebte dem Gefangenen einen dritten Zettel an die Stirn. Er berührte die Formelschlangen, die sich daraufhin in einem Zeichenwirbel auflösten. Schließlich hob er Pi auf und führte ihn zu einer herbeigewunkenen Wache.
    "Willst du die Reise verschlafen, Pi?", fragte die Stimme. "Einen traumlosen, tiefen Schlaf wie ein kleines Stück Tod?" Pi nickte stumm. Shardid sprach die Wache an:
    "An Bord des Schiffes gibt es einen verschließbaren Stasis-Schlafsarg. Benutzen Sie den anstatt eines Standard-Felligentanks."
    "Jawohl!" Der Mann salutierte. Er salutierte ein wenig zu entspannt für Shardids Geschmack:
    "Ich kenne sämtliche anzuwendende Regeln für diese Art Transport, und wenn eine davon vernachlässigt werden sollte, stelle ich persönlich sehr unangenehme Entlassungsscheine aus dem Dienst aus."
    "Verstanden!" Der Mann salutierte nochmal, diesmal zackiger, und führte Pi zum Luftschiff ab.
    "Was passiert mit ihm?", fragte Elis. Sie war bleich vor Schreck über die schiere Kraft des Hasses, die Tiefe der Trauer und die Verzweiflung, die aus Pis Stimme, ja: seiner ganzen Existenz geschrien hatte.
    "Wir untersuchen ihn, um ein paar Informationen zu erhalten", antwortete Shardid ihr. "Danach kommt er in die Biorecycling-Anlage." Jetzt wirkte das Mädchen noch erschreckter.
    "Keine Sorge." Shardid wiegelte mit den Armen ab, was vielleicht beruhigender gewirkt hätte, wenn an jedem eine Hand gewesen wäre. "Er wird keine Schmerzen haben. Er will seine Seelenruhe, und das ist die einzige Möglichkeit, sie ihm zu geben." Fuzz hatte das Ganze stumm mitangesehen. Sein verbeultes Gesicht bildete seinen mindestens genauso verbogenen Seelenzustand ab. Langsam ging er auf Shardid zu, die Augen voller Hass. Der imperiale Beamte blieb ruhig stehen. Innerlich flehte er den Kaiser an, ihm zu ersparen, heute auch noch ein Kind verletzen zu müssen. Fuzz stand vor ihm, seine Stimmung so schwer zu lesen als trage auch er ein Visier. Dann umarmte er Shardid.
    "Danke", sagte er in die Falten des Stoffs. Shardid atmete erleichtert auf:
    "Ich bin sehr froh, dass du es verstehst. Es ist auch das, was er will."
    "Ich weiß. Er hat so oft davon geredet." Fuzz schniefte. "Aber es tut mir trotzdem weh. Und was soll ich jetzt machen? Ich kann bestimmt nicht mehr zurück und hier hab' ich gar nichts und niemand."
    "Du kennst Pikmo und Jianna", entgegnete Shardid. "Du kennst mich. Und du hast Talent. Du könntest sogar selbst eine Stimme des Ministeriums werden, wenn du dich anstrengst. Noch bist du nicht zu alt. Gerade weil du hier gar nichts und niemand hast, bleibt dir zumindest eines: die Aussicht auf eine Zukunft."
    "Werde ich... werde ich meine Mama wiedersehen?", heulte der Bub. Er wollte sich diese Schwächen nicht geben, aber sie brachen jetzt alle gesammelt aus ihm heraus.
    "Das weiß ich nicht." Shardid schüttelte den Kopf. "Das weiß niemand. Wir können dir zumindest die Möglichkeit geben, selbst eine Wahrscheinlichkeit dafür zu schaffen." Jianna kam hinter der imperialen Robe hervorgetreten. Sie hatte einiges mitgehört und wollte sich, mehr aus alter Gewohnheit des Meckerns heraus, darüber beschweren, dass Fuzz das Todesurteil seines Freundes so hinnahm, wie er das nur zulassen konnte, doch ihr Herz war nicht so recht dabei.

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