Clemens Gleich
Shardid schien ihre Gedanken zu lesen, lächelte sie freundlich von der Seite an und schüttelte nochmals den Kopf. Sie warf die Idee eines Vortrags weg wie Ballast beim Ballonfliegen. Ihre Stimmung stieg sofort. Nach all den schlimmen Dingen, die heute passiert waren, schwebte sie auf einmal in einer intimen Stimmung, in der sie nicht mehr sein musste als schlicht ein Mensch – ein Mensch, der sich mit weit offenen Armen zu Fuzz kniete. Er nahm die Einladung an und warf sich an ihre Brust. Später würde die komplexe Welt wieder ihre Ansprüche anmelden, aber in diesem kleinen Moment war alles sehr einfach.
"War wirklich alles umsonst?", fragte sie Shardid und streichelte den Kopf an ihrer Schulter.
"Umsonst?", rief Shardid bass erstaunt. "Im Gegenteil! Wir haben alle etwas gelernt und wir sind alle bessere Bürger des Imperiums dabei geworden."
Jianna hörte aus dem Tonfall heraus, dass er das tatsächlich ernst meinen musste. Er hatte also nicht mehr alle Tassen im Schrank.
"Bessere Bürger?", fragte sie ungläubig. "Wie... Wie soll ich jetzt zurückgehen, nach allem, was passiert ist?"
"Das Leben geht weiter", platitüdierte Shardid. "Gehen Sie nach Hause. Ihre Familie und Ihre Freunde machen sich Sorgen."
"Und die Wache? Wird die mich nicht einsperren wollen?"
"Überlassen Sie die Wache mir. Sie haben aus dieser Richtung nichts mehr zu befürchten."
"Wieso tun Sie das jetzt alles für mich?", fragte sie misstrauisch.
Weil ich dich in diesen gigantischen Mist reingeritten habe, dachte Shardid.
"Sie sind dem Imperium wichtiger, als Sie denken", sagte Shardid.
"Als verhätschelte Tochter mit möchtegernrevolutionären Freunden?"
"Seien Sie nicht so hart zu sich. Menschen ändern sich. Das Imperium plant langfristig."
Der kräftige Chauffeur der Siebenrings legte das Wrack Pikmo behutsam auf die luxuriöse Ledersitzbank, die er dankbar ruinierte. Dann komplimentierte er die beiden Siebenring-Damen hinein, von denen die jüngere sofort wieder herauskam, um vorne mitzufahren, wo sie geschützt vor Pikmos Blicken saß.
Shardid nahm Jianna und Fuzz wie ein Engel zwei Sünder mit zum Luftschiff.
Hauptmann Gramp stand immer noch ziemlich verloren da, klein und schwach im Kontrast zum dunklen Giganten, in dem Magnus Palankin saß. Sie gingen zusammen in Richtung Schiff.
"Das war's jetzt?", fragte Gramp ihn.
"Nein, das war's nicht", antwortete Magnus. Er seufzte. "Das war nur das nötige Vorspiel. Leider darf ich Ihnen nicht alles erzählen, was ich weiß."
"Sie haben mich also die ganze Zeit nur beobachtet?", fragte der Hauptmann gerechtfertigt beleidigt. "War's wenigstens unterhaltsam?"
"Keine Angst, ich wusste die ganze Zeit auch nicht mehr als Sie. Aber die Erinnerungen, die ich eben gesehen habe, Erinnerungen auch an die Pläne des Ministeriums, an die Halle der Seher, die machen mir Hoffnung. Es ist..." Er ruderte hilflos eine gute Formulierung suchend mit den Armen und hätte fast den Hauptmann mit dem Arm der automatisch mitrudernden Rüstung weggeschlagen. "Es ist wie ... es ist eigentlich ein mehr oder weniger glückliches Ende."
"Mmp", machte Gramp. Er nahm seinen Helm ab. "Ich habe gar keine Lust, in Romala wieder den Kindergärtner zu spielen. Das war echt eine nette Zeit." Er lachte leise. Magnus sah ihn an, sagte aber nichts dazu. Als sie die Laderampe hochstiefelten, kam ihnen Shardid entgegen:
"Wir haben Ihre Stelle in Romala in der Zwischenzeit anderweitig besetzt", eröffnete er dem Hauptmann.
"Was?", fragte der. "Ich bin gefeuert? Warum?" Vielleicht, weil du auf einen imperialen Beamten geschossen hat, erinnerte ihn sein Gedächtnis.
"Sie sind nicht gefeuert. Das Imperium versetzt Sie."
"Versetzung? Wohin?" Wohl eher eine Strafversetzung, dachte Gramp bei sich.
"Zum letzten Bahnhof." Shardid lächelte allesodernichtssagend.
"Zum letzten Bahnhof? Hört sich ja schlimmer an als Verkehrswache. Wo ist dieser Bahnhof überhaupt?"
"Gar nicht weit von hier in den Randbergen", mischte Magnus sich ein. "Und es ist ein Posten, der wichtig wird, einer, bei dem man ein kleines Stück Welt wirklich ändern kann." Shardid nickte und verschwand im Bauch der Maschine.
"Ich kann ein kleines Stück Welt ändern, wenn ich einen Blumentopf an mein Fenster stelle", blaffte Gramp.
"Ein Ellenbogen ist auch ein kleines Stück Welt, und von zentraler Wichtigkeit für alles, was der Arm tut", sagte Palankin. Er sah den abgerissenen Arm der Rüstung an.
"Kommen Sie, Gramp, Sie haben selber gerade
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