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Clemens Gleich

Clemens Gleich

Titel: Clemens Gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pikmo und Jianna (German Edition)
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stand im Inneren. Sie lächelte ihn dankend an, umarmte ihn nochmal und legte sich zurück aufs Bett, als Helwer durch die Tür verschwunden war. Sie hörte ihn unten noch kurz Belanglosigkeiten mit ihrem Vater austauschen. Sie spielte an der Dose herum. Freiheit...
    Hauptmann Anforth Gramp sah sich melancholisch in dem Raum um, der bisher sein Büro gewesen war. Jetzt räumte er es zum ersten Mal so auf, dass Außenstehende das Aufräumen erkennen würden. Wie lange war er wohl hier gewesen?, fragte er sich. Es fühlte sich an wie ein ganzes Leben. Es waren auf jeden Fall Akten genug vorhanden für ein ganzes Leben. Obwohl er sich freute, hier herauszukommen, wusste er ebenso, dass er dieses Büro sofort vermissen würde, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hätte. Dieses seltsame vorauseilende Heimweh verstärkte sich, als er die aktuellen Probleme las, mit der diese seine Stadt an den Hauptmann der Stadtwache herantrat, der er jetzt nicht mehr war: Kind vermisst. Frau vermisst. Hund vermisst. Mord. Dringend. Sachbeschädigung. Extradringend.
    Sein Nachfolger lehnte sich an den offenen Türrahmen:
    "Na, werden Sie melancholisch?", fragte der neue Hauptmann. Gramp hob den Blick von den Akten in seiner Hand.
    "Es hält sich in Grenzen", antwortete der alte Hauptmann.
    "Sie wurden auch strafversetzt, nicht wahr?"
    "Das Ministerium sagt, es ist keine Strafversetzung." Gramp legte die Akten beiseite. Es waren nicht mehr seine Probleme. "Es sieht allerdings zugegebenermaßen ein bisschen danach aus."
    "Was haben Sie denn ausgefressen?"
    "Auf einen imperialen Beamten geschossen", grinste Gramp. Makorn pfiff beeindruckt durch die Zähne.
    "Können ja froh sein, dass Sie nicht sofort ausgeschaltet wurden", meinte er dann.
    "Es war eine ... komplexe Situation."
    "Sie werden die Hauptstadt bestimmt vermissen. Ich weiß, wie ich sie vermisst habe."
    "Ich denke, ich war lange genug hier", befand Gramp achselzuckend. "Finden Sie sich schon wieder zurecht hier?"
    "Mein Informantennetz ist ein bisschen löchrig geworden, aber ansonsten ist es fast, als wäre ich nie weggewesen."
    "Gut", sagte Gramp, fand es aber nicht gut, dass die Wachablösung keinerlei Problem machte. Er raffte sich: "Van Erster kann Ihnen mit der Verwaltung helfen, da hat sich in der Zwischenzeit einiges geändert."
    "Van Erster, was?" Der neue Hauptmann erinnerte sich. "So ein Grünschnabel, aber tut so, als hatte er schon in Mamas dickem Bauch Massenmörder dingfest gemacht."
    "Ja, er ist ein bisschen übereifrig..."
    "...und arrogant!"
    "...und arrogant, ja. Das ist doch praktisch jeder junge Wächter. Yens ist fleißig und nicht auf den Kopf gefallen. Wenn man ihm genug zu tun gibt, schleifen sich seine Kanten mit der Zeit schon ab."
    "Wir werden sehen." Makorn stieß sich vom Türrahmen ab. "Ich habe Ihnen die wichtigsten Akten zum letzten Bahnhof kompiliert und auf Ihren neuen Schreibtisch legen lassen. Alles ziemlich banal, alles kein Problem."
    "Danke. Es ist ja auch keiner von uns ganz aus der Welt. Wenn Fragen auftauchen, kann man die ja heutzutage auf Briefdämonen schreiben."
    "So sieht's aus." Makorn hob die Hand zum Abschied. "Ich muss los. Ziehen Sie einfach die Tür ins Schloss, wenn Sie hier fertig sind."
    "Mache ich. Viel Glück mit der Stadt."
    "Hah. Und Ihnen viel Spaß am Ende der Welt." Wieder allein in seinem Büro mit seinen Gedanken zog Gramp die Schreibtischschublade mit dem Geschenk darin heraus. Seine Kollegen der Wache hatten ihm gestern ein papierverpacktes zylindrisches Objekt überreicht, das er sich für heute aufgespart hatte, weil ihm auch so schon zum Heulen zumute gewesen war. Jetzt, ungestört, riss er es auf. Wahrscheinlich Whisky, dachte Gramp, doch nein: In einer Kartonröhre steckte ein kleiner, edler Revolver mit hübsch gemasertem Birkenholzgriff, umhüllt von einem in kunstvoller Schreibschrift getuschten Abschiedsbrief: "Wir lassen Sie ungern gehen, aber wenn schon, dann bewaffnet. Die ganze Wache wünscht Ihnen, dass die neue Stelle ein Treffer ins Schwarze ist." Dann eine kleine, gemalte Zielscheibe. Er drehte die Waffe hin und her. Auf dem Lauf stand in kleinen Lettern graviert: "Es geht nach vorne!" Er lachte. Ja, er hatte seine Fixierung auf Leonore über die Maßen über seine lieben Freunde ergossen. Er steckte den Revolver ein, atmete tief aus, trat auf den Gang und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Draußen schien warm die Sonne. Gramp reckte ihr das Gesicht entgegen, bis er die Augen vor der

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