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Clemens Gleich

Clemens Gleich

Titel: Clemens Gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pikmo und Jianna (German Edition)
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Jianna dachte einige furchterfüllte Momente darüber nach, dann zwang sie sich, nicht so paranoid zu sein. Es gab außerdem noch etwas anderes, das ihr zu denken gab:
    "Wie kommt es eigentlich, dass du über die Gegend hier Bescheid weißt?", fragte sie mit mühsam unterdrücktem Misstrauen in die Kapuze neben ihr. "Warst du schonmal hier?"
    "Nein", antwortete es aus dem Dunkeln. "Solche Fakten gehören zu meiner Allgemeinbildung, die ich schon in den Labors bekommen habe. Frag mich ruhig was." Toller Vorschlag, meldete sich Jiannas weiblicher Sarkasmus. Sie wollte ja schon immer mal die Geschichte sämtlicher Bürgermeister von 'Nirgendsrothof' hören. Dann fiel ihr jedoch etwas anderes ein:
    "Na gut, was weißt du über das Ministerium?"
    "Das Rote Ministerium ist unsere Zentralregierung", kam es wie aus der Pistole geschossen.
    "Das weiß ich auch. Aber was ist es genau?"
    "Genauer ist es die gesetzgebende und ausführende Staatsgewalt." Jianna verdrehte die Augen.
    "Und wer setzt die Minister ein? Gewählt werden sie nämlich schonmal nicht!"
    "Die Gelehrten streiten sich über diese Frage. Manche meinen, man muss hineingeboren werden, andere sprechen von einer grauen Eminenz, die diese Entscheidungen trifft", ratterte Pikmo durch.
    "Eine graue Eminenz, soso. Oder doch der Kaiser?"
    "Der Kaiser hat seine letzte direkte Regierungserklärung vor etwa 2000 Jahren im Götterkrieg abgegeben. Man munkelt, dass er unsterblich ist oder halb lebendig über die Jahrtausende konserviert, weil seit Beginn der Geschichtsschreibung fast ausschließlich die Minister auf den Plan treten." Pikmo grinste stolz.
    "Du weißt also gar nichts", dämpfte Jianna ihn. "Mutmaßungen und Grundschulheimatkunde haben sie dir beigebracht, ziemlich enttäuschend. Du bist wie ein Künstlicher Mund für Kinder, du betest eine Aufzeichnung runter!", fügte sie noch wütend hinzu.
    "Das stimmt", freute sich Pikmo.
    "Es tut mir leid", antwortete Jiannas Mund automatisch, ohne vorher höhere kognitive Funktionen zu fragen.
    "Was?"
    "Ach, vergiss es", murrte Jianna. "Halt lieber die Augen nach einer möglichst unauffälligen Herberge offen. Wenn ich nicht bald ein Bad und ein Bett kriege, mache ich so einen Terror, dass dein Götterkrieg dagegen wie eine Kindergartenkeilerei aussieht." Wieder trotteten sie schweigend nebeneinander her. Jiannas Gedanken begannen in alle möglichen Richtungen gleichzeitig zu wandern. Eine ihrer vielen inneren Stimmen wunderte sich darüber, wie Pikmo einerseits geistig so beschränkt sein, andererseits genauso schnell wie sinnvoll Gelerntes aufrufen und in ein Gespräch einordnen konnte. Nur auf weitere heruntergeratterte Erklärungen hatte sie momentan nicht die geringste Lust. Glücklicherweise wurde ihre Aufmerksamkeit soeben von etwas völlig anderem beansprucht. Der Nachthimmel vor ihnen hatte bläulich zu leuchten begonnen. Offenbar projizierte jemand ein Bild, von dem sie nur wenige Hausreihen trennten. Ihr Sicherheitsbedürfnis verlangte, sofort den größtmöglichen Abstand zum Phänomen einzunehmen; ihre Neugier verlangte hingegen, sofort in Kenntnis gesetzt zu werden, was da vorne vor sich ging. Also trottete sie einfach weiter, bis sich in ihrem Kopf das entsprechende Risikointegral gebildet hatte: Sie lief so nahe heran, dass sie weder die Informationen anständig mitbekam noch gut flüchten konnte. Pikmo hielt aufmerksam Ausschau nach einem Schlafplatz und blieb ansonsten brav bei Fuß. Um die beiden herum zeigte der dichter werdende Menschenstrom eine deutliche Tendenz hin zum Licht, der sie, nur halb wollend, folgten. Als sich ein hoher Turm aus ihrem Sichtbereich schob, erkannte Jianna, warum der Nachthimmel blau leuchtete. Pikmo schwebte dort. Beziehungsweise sein riesenhaftes Abbild am Himmel.
    Ruhig, langsam, keine verdächtig hastigen Bewegungen jetzt! Mit gerade so viel Beherrschung, wie es ihr aufschäumendes Adrenalin erlaubte, zog Jianna ein Kopftuch hervor und über ihre Haare. Die Neugier hatte den kurzen Kampf gegen das Sicherheitsbedürfnis schließlich doch gewonnen und verlangte herrisch einen besseren Beobachtungspunkt. Im zitternden blauen Licht wogte eine See von Köpfen auf einem offenen Platz. In der Mitte stand ein braunes Gefährt auf vier Beinen mit je einem Rad daran. Eines davon ruhte am Podest des Obelisken, der in der Mitte des Platzes stand, was aussah, als würde die Maschine wie ein Hund dagegenpinkeln. Diese im Volksmund "Stahlmulis" genannten Fahrzeuge benutzten die

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