Clemens Gleich
unwahrscheinlich. Ich bin eine Sonderanfertigung. Mich gibt's nur einmal." Jianna musste schmunzeln.
"Aber wer ist denn jetzt dieser Pi?", fragte sie dann. "Du hast schonmal davon angefangen und das Thema dann abgewürgt, als wir nicht sofort wussten, von welchem berühmten Pi du redest. Als ob den jeder kennt!"
"Er ist ... mein Freund." Fuzz legte den Hasen in seiner Hand beiseite, um mit abweisender Miene Feuerscheite zu schichten. Als er fertig war, wollte Jianna das Feuer mit dem Glühstäbchen aus ihrem Wanderrucksack entzünden, aber Fuzz riss es ihr energisch aus der Hand und zündete es selber an. Jianna ließ ihn in Ruhe und bereitete den Selbstkochtopf vor. Sie betrachtete das wogende Grasmeer um sie herum, die entsetzt aus dem Gras guckenden Kaninchen, dieses wütende Kind am Lagerfeuer. Es war doch immer wieder erstaunlich, wie schnell selbst die abstrusesten Ereignisse eine gefühlte Normalität erreichten, wie schnell man sich an Leute gewöhnte – selbst die abstrusesten.
Erstaunlich, dachte sich Pi. Die Spur, der er folgte, war auf einmal unklar, verwischt, kaum noch aufspürbar. Das war neu. Und in dieser Umgebung roch das förmlich danach, dass sie Hilfe hatten, Hilfe höchstwahrscheinlich von einem Kollaborateur in den eigenen Reihen – wenn man die unsortierten Stammessammlungen denn Reihen nennen konnte. Pis Miene verfinsterte sich, was bei seiner verkniffenen Koboldfratze aussah, als beiße eine Rosine in eine Zitrone. Mit energischen Schritten stapfte er auf ein Grüppchen kleiner Bäume zu, die mit jedem seiner Schritte größer wurden, sich verformten, bis sie titanenhaft aufragten wie die Säulen des Himmels. Es war kein Eingang zu sehen. Pi suchte. Es war ein Eingang zu sehen, der jetzt so tat, als sei er schon vorher dagewesen. Eine Wache lümmelte lässig davor und rauchte. Als Pi auf sie zuging, spannte sie im Vorspultempo einen Bogen und zielte mit einem fies aussehenden Pfeil auf Pi, bevor die Zigarette den halben Weg zum Boden geschafft hatte. Ohne aus dem Tritt zu kommen, gestikulierte Pi in der Luft herum, bis ein Siegel erschien, das den Wächter dazu veranlasste, seinen Bogen wieder zu senken und die Zigarette aufzuheben. Mit unverhohlener Abscheu betrachtete er, wie Pi in die kleine Kammer neben ihn trat. Wie die Angehörigen von Pis Adoptivvolk trug der Bogenschütze Teile von Tieren als Schmuck zu seinen großen Glubschaugen, nur waren seine Tätowierungen in ihrer Anmutung und Art anders. Pi grinste dreckig, dann stieg er in einem wie Saft fließenden Leuchten in die Krone des riesigen Baums auf. Oben hielt ihn, noch bevor er richtig loslaufen konnte, jemand auf, der, wenn man von der Dichte seines Federschmucks ausging, hier sehr wichtig war oder wenigstens so aussehen durfte:
"Was, was, was! Was soll das? Was hast du hier verloren?", fragte er wild gestikulierend, ließ Pi aber keine Zeit für Antworten: "Wir wissen von deiner Mission, jaja. Solltest du nicht ganz, ganz woanders sein und deine Pflicht tun?"
"Jemand hilft ihnen", sagte Pi trocken unter Missachtung des üblichen Protokollgeschwafels. "Jemand von hier. Das ist Verrat! Ich will den Priesterhäuptling sprechen."
"Den Priesterhäuptling!" Der Gefiederte warf theatralisch die Arme gen Himmel. "Na, wenn es sonst nichts ist! Nein, nein, nein, von uns läuft doch niemand durch die Weltenschranke, um dem Feind zu helfen, uns zu vernichten!" Pi packte ihn an der Federboa, weil seine ohnehin nur homöopathisch vorhandene Geduld längst komplett verbraucht war:
"Sie sind ja auch hier, du albernes Huhn! Dein 'Feind' läuft durch eure Wiesen. Und jetzt tu deine Lakaienpflicht und sorg für eine Audienz bei deinem Herrchen. Und für was zum Essen. Und zwar ein bisschen zackig, ja?" Der Beamtenpriester stürmte beleidigt hmpfend davon. Pi griff eine vorbeigehende Frau um die Taille und schleckte ihr mit seiner rauhen Zunge den Bauchnabel ab.
"Wer, wer, wer könnte nur so dumm sein?", fragte er sie. Als Antwort rammte sie ihm einen Tonkrug auf den Schädel und stolzierte empört schnaufend davon. Pi tauchte einen Finger in die Flüssigkeit zwischen den Scherben und probierte: "Mmh, Tuba..."
Fuzz wünschte sich inständig einen großen Krug Tuba oder irgendeine andere brauchbare Droge. Mittlerweile war es Nacht, der Mond schien auf die Wipfel eines kleinen Wäldchens vor ihnen. Jianna entschuldigte sich gerade für irgendetwas, das Fuzz für vollkommen dämlich hielt:
"Psscht!", zischte er ärgerlich. "Leise, ihr
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