Clemens Gleich
– genau wie sein Pulli, der aussah wie auf links gezogen und die Hosen, die den überzeugenden Anschein machten, als hätte ein Cowboy sie ein paar Jahre getragen, obwohl Jason noch nie im Leben auf einem Pferd gesessen hatte. Eigentlich könnte sein offenes Gesicht hübsch sein, würde es nicht von dicken Pickeln entstellt und würde er nicht gerade unter den bohrenden Blicken roter werden als ein kochender Hummer. Schnell senkte er den Kopf und konzentrierte sich darauf, in seinem Skizzenbuch zu kritzeln, was Helwer immer furchtbar aufregte.
"So ein Quatsch!", fuhr er Jason an. Der Rest der Runde war seiner Meinung – und weiblich, was Jason in seinem gegenwärtigen Zustand (namentlich: ständiger Erregung) viel wichtiger schien. Frauen sollten in seinem Alter eine große Rolle spielen, fand nicht nur die Statistik, sondern vor allem er selbst, doch die Pickel hielten ihm potenzielle Partnerinnen sehr erfolgreich vom Hals. Er war durch den Druck aus dem Untergeschoss in seiner Zielwahl schon so tief gesunken, dass er mit dem Gedanken spielte, mit Felistra neben ihm anzubändeln, obwohl ihm selbst dieses bloße Gedankenspiel noch immer grotesk erschien. Felistra hieß eigentlich Dorte, war aber der größte Katzenfan der Welt und brauchte daher diesen Namen. Plus eine Kappe mit Puschelohren. Am liebsten würde sie sich noch einen Schwanz umhängen, aber den klauten sie ihr immer. Heimlich wünschte sie sich, selber eine Felligenkatze zu sein, was ihren Intellekt wahrscheinlich drastisch erhöhen würde. Denn Felistra war nicht vier, sondern vierundzwanzig, was ihren Gesamtauftritt so peinlich machte. Man konnte sich für sie fremdschämen einzig und allein deswegen, weil man selber ein Mensch war. Doch vielleicht, wenn FAK ein Erfolg würde und alle Felligen frei, und dann das Imperium noch mehr Fortschritte in der Biotechnik machte, dann könnte sie selber eine zweibeinige Katze werden, ihren Katerprinzen heiraten und... Sie riss sich selber aus diesem Gedankengang, um zur Debatte beizutragen:
"Natürlich können wir nicht mit den Sklavenhändlern reden. Wir müssen ihr indirekter helfen. Denn dass auch wir diesem Felligen helfen müssen, seine Liebe zu finden, ist ja wohl selbstverständlich." Es könnte ja immerhin sogar rein theoretisch ich sein, fügte sie in Gedanken hinzu, obwohl sie sich nicht erinnern konnte, so einem Felligen begegnet zu sein.
"Sehr konstruktiv", ätzte Gurrma, eine mollige Frau Anfang dreißig mit dunklen, schulterlangen Haaren und einem kuhartigen Gesicht mit fröhlichen Augen drin. Sie trug wie immer Schlabberklamotten in kreischenden Tönen. Nachdenkliche Typen tippten oft auf Farbenblindheit, intelligenten Typen war jedoch klar, dass sich derart disharmonische Farbkompositionen wohl kaum per Zufall trafen. Gurrma war außerdem Lehrerin, also eine voll ausgebildete Klugscheißerin:
"Du hast zwar geredet, aber nichts gesagt", redete sie. "Ich finde, wir sollten in die Offensive gehen. Was wir bisher gemacht haben mit unseren Plakaten und Flugblättern war zwar richtig, aber nicht radikal genug. Wir wollen die Leute aufrütteln! Sollen sie ruhig vom Sessel fallen!" Gurrma schaltete ihre falsche Gute-Laune-Lache kurz ein. "Wir sollten die konkreten Ängste der Bevölkerung thematisieren." Helwer sah sie an.
"Ich weiß nicht. Ist es ausgerechnet jetzt gut, Panik zu schüren? Die Stimmung ist auch so schon gespannt." Etwas räusperte sich. Das Etwas hieß Margit Steinweich und sah auch so aus. Mental war sie bei Jason unter "Müslifotze" abgelegt, wie seine Generation solche Specimen bezeichnete. Sie trug offensichtlich selbstgewebtes, braunfarbenes, undefinierbar sackartiges Zeug, hatte ein langes Pferdegesicht voller Unzufriedenheit und lebte in einer Art ununterbrochenem prämenstrualen Zustand. Um ihren Bauch hing für gewöhnlich eine Tasche voll mysteriösem Frauenzeug, allerdings nicht mysteriös genug, um irgendjemand tatsächlich zu interessieren, obwohl sie natürlich auf Interesse hoffte und deshalb alle naslang darin herumkramte. Ihr langes, dünnes Haar wirkte ungepflegt, weil sie ja gegen alles war, inklusive Seife: Seife verschäumt die Gewässer. Sie war das perfekte FAK-Mitglied, sie war in fünf anderen Organisationen ebenso perfekt. Und jetzt hatte sie eine Meinung:
"Die aktuelle Stimmung ist perfekt. Es könnte keinen besseren Zeitpunkt geben. Ich finde, wir sollten durchaus ein bisschen Panik schüren, immerhin ist es für eine gute Sache. Gerade jetzt glauben
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